Unwiederbringlich
vollen Namen zu nennen, und sprach immer nur von »Dorchen«. Die Prinzessin ließ ihm, wie sie sagte, diese Geschmacksverirrung ruhig hingehen, ja, hatte Worte halber Anerkennung für ihn, weil er wenigstens ehrlich und konsequent bleibe; zudem sei es das klügste; jede andere Versicherung seinerseits würde doch nur ihrem Mißtrauen begegnet sein. Ebba mühte sich, auf diesen scherzhaften Ton der Prinzessin einzugehen, scheiterte aber völlig damit und verfiel schließlich in ein sich immer steigerndes nervöses Zucken und Zittern. Holk, der es sah, versuchte dem Gespräch eine andere Wendung zu geben, kam aber nicht weit damit und war herzensfroh, als das Spiel auf der Bühne wieder seinen Anfang nahm. Man blieb indessen nicht lange mehr, kaum noch bis zum Schlusse des nächsten Aktes, dann wurde der Wagen befohlen, und Pentz und Holk, nachdem sie seitens der Prinzessin gnädig entlassen waren, schlenderten, auf einem Umweg, auf Vincents Restaurant zu, wo sie, bei schwedischem Punsch, eine Plauderstunde zu haben wünschten.
Unterwegs sagte Holk: »Sagen Sie, Pentz, was war das mit der Rosenberg? Sie war dicht vor einem hysterischen Anfall. Peinlich und noch mehr verwunderlich.«
»Ja, peinlich. Aber verwunderlich gar nicht.«
»Wie das?«
Pentz lachte. »Lieber Holk, ich sehe, daß Sie die Weiber doch herzlich schlecht kennen.«
»Ich mag nicht das Gegenteil behaupten, denn ich hasse Renommistereien, und am meisten auf diesem Gebiete. Aber über die Rosenberg glaubte ich im klaren zu sein und glaub es noch. Ich halte das Fräulein für freigeistig und übermütig und behaupte ganz ernsthaft, wer mit Glaubens- und Moralfragen so zu spielen weiß, der ist auch sozusagen verpflichtet, an Falstaffs Dorchen eine helle Freude zu haben oder doch mindestens keinen Anstoß daran zu nehmen.«
»Ja, das denken Sie, Holk. Aber das ist es ja eben, weshalb ich Ihnen die Weiberkenntnis abspreche. Wenn Sie die hätten, so würden Sie wissen, daß gerade die, die dies und das auf dem Kerbholz haben, sich durch nichts so sehr verletzt fühlen wie durch ein grobes und unter Umständen selbst durch ein leises Zerrbild ihrer selbst. Mit ihrem richtigen Spiegelbilde leben sie sich ein, auch wenn ihnen gelegentlich ein Zweifel an der besonderen Berechtigung ihrer moralischen Physiognomie kommen mag; taucht aber neben diesem Bilde noch ein zweites auf, das die schon zweifelhaften Stellen auch noch mit einem Agio wiedergibt, so hat es mit der Selbstgefälligkeit ein Ende. Mit anderen Worten, das Stücklein Eva, das solche süspekte Damen repräsentieren, sind sie geneigt noch gerade passieren zu lassen, aber nun auch kein Deutchen mehr davon, ein Mehr ist schlechterdings unzulässig, und tritt es ihnen trotzdem entgegen, so schrecken sie zusammen und kriegen den Weinkrampf.«
Holk blieb stehen und sagte dann: »Liegt es
so
? Sagen Sie da nicht mehr, Pentz, als Sie verantworten können? Ich kann doch, um nur eins zu nennen, nicht wohl annehmen, daß die Prinzessin, als sie das Fräulein an den Hof zog, eine Wahl getroffen hat, die sich, anderer Bedenken zu geschweigen, schon mit Rücksicht auf die Danner, diesen Gegenstand ihrer beständigen moralischen Angriffe, verboten haben würde.«
»Und doch ist es so. Zurückzunehmen ist meinerseits nichts. Ebba wünscht sich eine Zukunft, das ist gewiß, und nur eins ist noch gewisser – sie hat eine Vergangenheit.«
»Können Sie darüber sprechen?«
»Ja. Ich bin in der angenehmen Lage, vor nichts haltmachen zu müssen und am wenigsten vor Fräulein Ebba. Wer selbst sowenig Schonung übt, hat Schonung verwirkt, und der beständige Spötter über Diskretion, was hab ich nicht alles aus dem Munde dieses Sprühteufels hören müssen, darf seinerseits keinen Anspruch auf Diskretion erheben.«
»Und was war es?« unterbrach Holk, der immer neugieriger wurde.
»Wenn Sie wollen, nichts oder doch jedenfalls nicht viel. Alles Durchschnittsgeschichte. Sie war Hofdame bei der Königin Josephina drüben in Stockholm. Die Leuchtenbergs, wie Sie wissen, sind alle sehr liebenswürdig. Nun, es ist ein Jahr jetzt oder etwas länger, daß man sich über die Zärtlichkeiten und Aufmerksamkeiten zu wundern anfing, die mit einem Male der jüngste Sohn der Königin...«
»Der Herzog von Jämtland...«
»Eben der..., die mit einem Male der jüngste Sohn der Königin für seine Mutter an den Tag legte. Die Verwunderung indes währte nicht allzu lange. Sie kennen die kleinen Boote, die zwischen den
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