Unwiederbringlich
schlechte Laune geweckt haben könnte. Ja, lieber Pentz, da haben Sie sich verfahren oder vielleicht selbst verraten, und lebten wir in anderen Zeiten, so begäb ich mich recte zum König und ging' ihn an, Ihnen einen Struensee-Prozeß zu machen und Sie der unerlaubten Beziehungen zur Gräfin-Putzmacherin zu zeihen. Denken Sie, wenn dann Ihr Haupt fiele! Doch ich will Sie so weit nicht bedrohen und verurteile Sie nur, den Artikel zu lesen, hier
den
: Ebba hat jede Zeile rot unterstrichen, sie liebt dergleichen, und dann mögen Sie sich wundern, wie weit wir in Dänemark mit unserem Regiment der Gasse bereits gekommen sind. Regiment der Gasse, leider; – vor Holk sollten wir uns freilich sträuben, es zuzugestehen, denn es stellt uns bloß und ist nur Wasser auf seine schleswig-holsteinsche Mühle. Doch was hilft es, der Artikel ist nun mal da, und wenn er ihn hier nicht liest, so liest er ihn in seiner Wohnung, oder die Frau Kapitän Hansen liest ihn ihm wohl gar vor. Leute, die selber Anspruch auf einen ›Artikel‹ oder ähnliches haben, sind immer am durstigsten nach allem, was Sensation macht.«
Holk fühlte sich unangenehm berührt, weil er aus dieser Schlußbemerkung aufs neue heraushörte, daß der gute Leumund der Hansens ein großes Fragezeichen habe; es war aber nicht Zeit, sich diesem Gefühle hinzugehen, denn Pentz hatte das Blatt bereits in die Hand genommen und begann, während er sein Pincenez hin und her schob: »Erbprinzlich Ferdinandsche Wechsel zu verkaufen!«
»Nun, Pentz, Sie stocken ja schon und ziehen Ihr Taschentuch, mutmaßlich um Ihre Gläser zu putzen und sich zu vergewissern, daß Sie recht gelesen haben. Aber Sie haben recht gelesen. Fahren Sie nur fort.«
»... Verschiedene vom Prinzen Ferdinand, Königliche Hoheit, und zwar unter dem Zusatze: ›bei meiner königlichen Ehre‹, ausgestellte Wechsel, indossiert von seinem Kammerassessor Plöther, sind zu verkaufen, und zwar für den Wert, den eventuelle Liebhaber, beziehungsweise Sammel- und Kuriositätenamateurs, Papieren von solcher Bedeutung beimessen wollen, doch nicht unter fünfzig Prozent. Man beliebe sich an das Comptoir Kokkegarde 143 zu wenden...«
Pentz legte das Blatt nieder; der Artikel war zu Ende.
»Nun, meine Herren, was sagen Sie zu diesem Vorkommnis, von dem ich behaupten darf, ähnliches in meinen siebzig Jahren noch nicht erlebt zu haben. Sie schweigen, und Holk ist mutmaßlich der Meinung: wie man sich bettet, so liegt man; wer Wechsel ausstellt, und noch dazu ›bei seiner königlichen Ehre‹, hat die Wechsel einzulösen, und unterläßt er's, so muß er sich's gefallen lassen, wie's hier geschieht, von Kokkegarde 143 aus an den Pranger gestellt zu werden. So denkt mutmaßlich Holk, und er hat recht; gewiß, es liegt so. Der Prinz ist mir auch durchaus gleichgültig, und je mehr er sich ruiniert, je mehr kommt es
dem
zustatten, der bestimmt ist, an dieses sogenannten Erbprinzen Stelle, wirklich der Erbe dieses Landes zu sein. Aber ich kann mich der egoistischen Freude darüber, meine politischen Pläne gefördert zu sehen, doch nicht ganz hingehen, wenn soviel anderes und schließlich Wichtigeres dabei verlorengeht... Kein Vogel beschmutzt das eigene Nest, und es gibt eine Solidarität der Interessen, die das Königtum als solches anerkennen muß, sonst ist es um das Königtum geschehen. Ich könnte mich über ›Dagbladet‹ aigrieren, und ich gestehe, mein erster Unmut ging nach dieser Seite hin. Aber was ist eine Zeitung? Nichts. Aigriert bin ich über den König, dem dies Gefühl der Solidarität abhanden gekommen ist. Er denkt an nichts als an die Danner und an das Ausgraben von Riesenbetten, an und für sich sehr verschiedene Dinge, die sich freilich vielleicht auch wieder in der Vorstellung der Zukunft zu einer seltsamen Einheit zusammentun werden. Vor allem denkt er: après nous le déluge. Und das ist ein Unglück. Ich hasse Moralpredigten und Tugendsimpeleien, aber andererseits bleibt doch auch bestehen: es ist nichts mit den laxen Grundsätzen – Grundsätze sind wichtiger als das Tatsächliche. Das sag ich Ihnen, lieber Pentz. Mit Holk liegt es anders, er ist ein Deutscher, und wenn er auch vielleicht ins Schwanken kommt (die Rosenberg hat mir wahre Wunderdinge von der Frau Brigitte Hansen erzählt), so hat er eben seine Frau Christine daheim. Und ich müßte mich sehr in ihr irren, wenn sie nicht mit ihrer Macht von Holkenäs bis Kopenhagen reichen sollte. Und nun au revoir, meine
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