Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Denn während er sich alles bewiesen zu haben glaubte, war er doch im letzten Winkel seines Herzens von der Nichtstichhaltigkeit seiner Beweise durchdrungen, und wenn er sich außerhalb seiner selbst hätte stellen und seinem eigenen Gespräche zuhören können, so würde er bemerkt haben, daß er in allem, was er sich vorredete, zwei Worte geflissentlich vermied: Gott und Himmel. Er rief beide nicht an, weil er unklar, aber doch ganz bestimmt herausfühlte, daß er im Dienst einer schlechten Sache focht und nicht wagen dürfe, den Namen seines Gottes mißbräuchlich ins Spiel zu ziehen. Ja, das alles würde er gesehen haben, wenn er sich wie ein Draußenstehender hätte beobachten können; aber das war ihm nicht gegeben, und so schwamm er denn im Strome falscher Beweisführungen dahin, Träumen nachhängend und sein Gewissen einlullend, und schrieb sich ein gutes Zeugnis nach dem anderen. Warum auch nicht? Es ließ sich ja, das durft er sich sagen, so gut mit ihm leben, man mußt es nur verstehen; aber Christine verstand es nicht und wollt es auch nicht verstehen, ja, er war ein Opfer ihrer christlichen Redensarten, das stand ihm fest oder sollt ihm wenigstens feststehen, und immer mehr von dem Verlangen erfüllt, seine gute, seine gerechte Sache so rasch wie möglich zum Schluß zu bringen, verlor er zuletzt alles Urteil und jede ruhige Überlegung. Er wollte zu Ebba, diese Stunde noch, und dann wollt er mit ihr vor die Prinzessin treten und alles bekennen und erst ihre Verzeihung und dann ihre Zustimmung anrufen. Und ihr auch sagen, daß Christine selbst bereits in diesem Sinne geschrieben oder wenigstens Andeutungen gemacht habe. Von einem Widerstande drüben in Holkenäs könne keine Rede sein, die Trennung sei so gut wie da, nur noch eine Formalität, und er bäte sie, den Schritt, den er vorhabe, gutheißen und sein Verhältnis zu Ebba als eine vorläufige Verlobung ansehen zu wollen.
    Er fühlte sich wie erleichtert, als dieser Plan in ihm feststand; Ebba sollte diese Stunde noch davon hören; er sah kein Hindernis oder übersprang jedes in seinen Gedanken.
    Es schlug zwei vom Rathausturm, als er sich nach dem Palais auf den Weg machte. Zwei-, dreimal sah er sich aufgehalten, weil ihm Bekannte begegneten, die von der Gefahr, der er wie durch ein Wunder entronnen sei, gehört hatten; Holk stand ihnen auch Rede, brach aber jedesmal rasch ab, sich mit »Dienst« bei der Prinzessin entschuldigend.
    Ebba wohnte im Palais selbst, über den Zimmern der Prinzessin. Holk zog die Glocke; niemand kam. Endlich erschien Karin. Aber was sie sagte, konnte Holk in seiner gegenwärtigen Stimmung, in der alles nach raschem Abschluß drängte, wenig befriedigen. Er hörte nur, daß das Fräulein, nach mehrstündigem Fieber, eben eingeschlafen sei und nicht geweckt werden dürfe. »So werd ich wieder anfragen. Und vergessen Sie nicht, Karin, dem Fräulein zu sagen, daß ich da war und nachfragen wollte.« Karin versprach alles und lächelte. Sie hatte keine Vorstellung von dem, was in Holks Seele vorging, und sah nichts anderes in ihm als den stürmischen Liebhaber, der nach neuen Zärtlichkeiten dürstete.
    Holk stieg die Treppe langsam hinab, und erst als er den langen Gang passierte, daran die Zimmer der Prinzessin gelegen waren, entsann er sich, alles, was das pflichtmäßig Nächstliegende für ihn gewesen wäre, versäumt zu haben. Aber war es das Nächstliegende? Für ihn gewiß nicht. Für ihn war der Gesundheitszustand der Prinzessin in seiner gegenwärtigen Stimmung so gut wie gleichgültig, für ihn war sie nur noch dazu da, den Segen zu spenden und ihn und Ebba glücklich zu machen. Und mit einem Male (denn daß Ebba dieselben Gedanken habe, stand ihm fest) kam ihm das Verlangen, sich schon heute Gewißheit über das »Ja« der Prinzessin verschaffen zu wollen. Und so trat er in eins der Vorzimmer und erfuhr hier von der diensthabenden Kammerfrau, daß Königliche Hoheit das Bett hüte. Neue Verstimmung. Wenn die Prinzessin das Bett hütete, so konnte von Entscheidung, was ihm gleichbedeutend mit Gutheißung war, natürlich keine Rede sein. Wie lästig; nichts ging nach Wunsch. Pentz und Erichsen waren im Nebenzimmer, aber er mochte sie nicht sehen und brach rasch auf, um erst einen Spaziergang nach der Zitadelle zu machen und schließlich eine Stunde lang in der Ostergaade zu flanieren. Um fünf war er wieder im Palais oben und fragte zum zweiten Male nach Ebba. »Der Doktor sei dagewesen«, hieß es, »und habe

Weitere Kostenlose Bücher