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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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frei bin und wieder hier... Ach, wie sehne ich mich nach Leben, Wärme, Freude. Meine Tage sind mir vergangen, als ob Unterweltsschatten neben mir her schwebten. Die gute Dobschütz war auch solch Schatten. Ich bin noch nicht alt genug, um auf Fleisch und Blut zu verzichten.«
    Und er klingelte. Die Witwe Hansen kam.
    »Liebe Frau Hansen, ich will auf einen Tag hinüber nach Holkenäs...«
    »Ah, zur Christbescherung. Da wird sich die gnädigste Frau Gräfin freuen, die jetzt so allein ist, seit auch die Kinder fort sind, wie mir der Herr Graf erzählt haben.«
    »Ja, nach Holkenäs«, sagte Holk. »Wissen Sie, wie die Dampfschiffe gehen? Ich meine die nach Glücksburg und Flensburg. Am liebsten wäre es mir, ich könnte noch heute mittag fort oder doch gegen Abend. Dann bin ich morgen zu guter Stunde da. Vielleicht, liebe Frau Hansen, können Sie jemand nach dem Hafen schicken und anfragen lassen. Aber es muß ein Bote sein, auf den Verlaß ist, denn mir liegt daran, sicherzugehen.«
    Frau Hansen sagte, sie würde sich selber auf den Weg machen, und nach weniger als einer Stunde war sie von ihrem Gange wieder zurück und brachte die Nachricht, heute gehe kein Schiff mehr, aber morgen gegen Abend gehe der »Holger Danske« und sei zehn Uhr vormittags vor Holkenäs.
    »Das ist übermorgen. Welchen Tag haben wir heute?«
    »Den einundzwanzigsten, gerade den kürzesten...«
    Holk dankte für ihre Bemühung und war in seinem Herzen froh, daß es nicht Heiligenabend war, an dem das Schiff an dem Wasserstege von Holkenäs anlegen würde.
     
    Den 23. kam die Küste von Angeln in Sicht, und als zehn Uhr heran war, sah man, von Deck aus, Schloß Holkenäs auf seiner Düne. Die Linien waren verschwommen, denn ein leiser Nebel zog, und einen Augenblick begann es sogar zu schneien. Aber der Flockentanz hörte bald wieder auf, und auch der Nebel war so gut wie verschwunden, als die Schiffsglocke zu läuten anhob und der stattliche Dampfer anlegte. Holk überschritt die kleine Geländerbrücke, die man vom Deck her nach dem Wassersteg hinübergeschoben hatte, dann schaffte der Steward sein Gepäck nach, und ehe fünf Minuten um waren, dampfte der »Holger Danske« weiter auf Glücksburg zu. Holk sah dem Schiff eine Weile nach, dann warf er seinen Mantel, der ihn, beim Ersteigen der Terrasse, nur behindert haben würde, zwischen die beiden Koffer und schickte sich an, den Steg entlangzugehen. Dann und wann blieb er stehen und sah nach Holkenäs hinauf. Es lag jetzt, wo der Nebel sich momentan verzogen hatte, klar vor ihm, aber öd und einsam, und der dünne Rauch, der aufstieg, wirkte, wie wenn nur noch ein halbes Leben da oben zu finden sei. Die ziemlich zahlreichen Sträucher in Front der Vorhalle waren, ein paar kleine Zypressen abgerechnet, alle kahl und entblättert, und die Vorhalle selbst zeigte sich mit Brettern verkleidet und mit Matten verhängt, um die dahintergelegenen Räume nach Möglichkeit gegen den Nordost zu schützen. Alles still und schwermütig, aber ein Friede, wie der Nachglanz eines früheren Glücks, war doch darüber ausgebreitet, und diesen kam er jetzt zu stören. Eine Furcht befiel ihn plötzlich vor dem, was er vorhatte; Zweifel kamen, und sein Gewissen, so gut er's einzulullen wußte, wollte nicht ganz schweigen. Aber so oder so, jedenfalls war es zu spät, und er konnte nicht mehr zurück. Es mußte sein. Wie würde Ebba ihn ausgelacht und ihm den Rücken gekehrt haben, wenn er, bei seinem Wiedereintreffen in Kopenhagen, ihr gesagt hätte: »Ich wollt es tun, aber ich konnt es nicht.« Und so nahm er denn seinen Weg wieder auf und stieg endlich langsam die Terrasse hinauf. Als er oben war, rief er einen alten, zufällig des Weges kommenden Diener an, der in einem Nebenhause seit Jahr und Tag schon das Gnadenbrot aß, und fragte ihn, »ob die Gräfin im Schloß sei«. – »Gewiß, Herr Graf«, sagte der Alte fast erschrocken, »in ihrem Schlafzimmer oben. Ich will voraus und der Frau Gräfin melden, daß der Herr Graf angekommen sind.« – »Nein, laß«, sagte Holk, »ich will selber gehen.« Und nun ging er, sich zunächst seitwärts haltend, auf die Rückfront des Schlosses zu, die den Blick landeinwärts auf die bergabsteigenden Park-und Gartenanlagen hatte.
    Hier angekommen, nahm sich alles wärmer und wohnlicher aus, und Holk, als er einen Augenblick Umschau gehalten hatte, stieg die drei Marmorstufen hinauf, die, zwischen zwei Säulen hindurch, auf die Tür des Gartensalons zuführten. Und

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