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Titel: Upload Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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er.
    »Es ist immer noch dieselbe Arbeit wie früher, nur 275
    bin ich jetzt bei einem englischen Unternehmen angestellt.«
    »Das hat mir deine Großmutter schon erzählt.
    Aber bist du auch zufrieden damit? Willst du es den Rest deines Lebens machen?«
    »Wahrscheinlich schon.«
    »Das klingt nicht sehr überzeugt.«
    »Na ja, die Arbeit an sich macht schon Spaß.
    Nur ist die Unternehmensstrategie, ehrlich gesagt, ziemlich widerlich.«
    »Aha. Tja, ich fürchte, daran kommt man heutzutage kaum vorbei, nicht?«
    »Nein, vermutlich nicht.«
    »Art, ich habe immer schon gewusst, dass du ein sehr kluger junger Mann bist. Aber wer klug ist, muss nicht unbedingt glücklich sein. Wenn du sehr viel Glück hast, blickst du in meinem Alter auf dein Leben zurück und bist froh, dass du es auf diese Weise gelebt hast.«
    Ehe er sich eine Antwort überlegen konnte, rief Oma zum Essen. Als er am Tisch Platz genommen hatte, reichte seine Großmutter ihm einen Stift.
    »Was soll ich damit?«
    »Ich möchte, dass du die Tischdecke signierst.
    Schreib was Kurzes und signiere es mitsamt dem Datum, aber bitte sauber und leserlich.«
    »Ich soll die Tischdecke signieren?«
    »Ja. Ich hab gerade mit einer neuen angefangen. Ich lasse jeden Gast meine Tischdecke signie-276
    ren und dann sticke ich die Unterschriften ein. So hab ich eine Erinnerung an jeden, der mal zum Essen hier war. Das wird mal ein hübsches Fami-lienerbstück für deine Kinder. Nach dem Essen zeig ich dir die früheren Decken.«
    »Was soll ich denn schreiben?«
    »Was du willst.«
    Unter den strengen Blicken von Pater Ferlenghetti und Oma nahm er die Kappe des Filzschrei-bers ab und grübelte nach, aber ihm wollte nichts einfallen. Schließlich schrieb er: Für meine Oma.
    Ganz gleich, wo ich bin, ich weiß, dass du immer an mich denkst. Er unterzeichnete mit schwungvollem Strich.
    »Schön. Jetzt können wir essen.«
    Nach dem Essen hätte Art sich am liebsten ein-geloggt und nachgesehen, ob Colonelonic irgendetwas über Lindas Ex herausgefunden hatte, aber Oma, Pater Ferlenghetti und ein kleiner Stapel Lei-nendecken, in die gute Wünsche und Signaturen eingestickt waren, hielten ihn auf der Veranda fest. Als er die Stickereien, die ihn an Blinden-schrift erinnerten, mit den Fingerspitzen betastete, erkannte er Namen aus seiner Kindheit wieder.
    Oma und Pater Ferlenghetti unterhielten sich bis spät in die Nacht. Irgendwann rüttelte Oma Art wach. Er war in ein Tischtuch gehüllt, das er wie eine warme Decke über sich gezogen hatte. Während er sich die Augen rieb und zu seinem Bett 277
    schlurfte, faltete sie das Tuch zusammen und legte es weg.
    Am frühen Morgen weckte ihn ein Anruf von Audie.
    »Hallo, Art! Hier ist deine Cousine!«
    »Audie?«
    »Ja, natürlich Audie, wie viele Cousinen hast du denn?! Deine Oma hat mir erzählt, dass du zur Abwechslung mal in Kanada bist.«
    »Ja, stimmt. Nur ein kleiner Urlaub.«
    »Tja, warst ja schon lange nicht mehr hier. Was machst du denn eigentlich in London?«
    »Ich arbeite als Berater für Virgin/Deutsche Telekom.« Dieser Teil des Gesprächs wiederholte sich jedes Mal, wenn er mit Audie zu tun hatte.
    Aus irgendeinem Grund konnte sie sich nicht merken, um was es in seinem Job ging.
    »Als Berater für was?«
    »Benutzerfreundliches Design. Ich helfe ihnen beim Entwurf ihrer interaktiven Projekte. Wie läuft’s in Ottawa?«
    »Und dafür wirst du auch noch bezahlt? Tja, man kann von Glück sagen, wenn man einen solchen Job an Land zieht.«
    Art vermutete, dass Audie über seine Nische in der Arbeitswelt aufrichtig erstaunt war und ihn nicht etwa verspottete. Dennoch musste er sich zurückhalten, um nicht eine abfällige Bemerkung über den Mangel an nützlichen und greifbaren Re-278
    sultaten zu machen, wenn man, wie sie, Abgeord-nete über die politische Ökonomie der Halbleiter-produktion in Ausbeuterbetrieben der PacRim-Gruppe auf dem Laufenden hielt.
    »Und ob ich dafür bezahlt werde! Wie läuft’s in Ottawa?«
    »Erstaunlich gut. Und wieso London? Kannst du zu Hause keine Arbeit finden?«
    »Doch, könnte ich schon. Als mir der Job angeboten wurde, wollte ich die Chance einfach nutzen. Sah damals vielversprechend aus. Wie läuft’s in Ottawa?«
    »Damals, wie? Dann kommst du also bald zu-rück? Willst du dort kündigen?«
    »In nächster Zeit nicht. Wie läuft’s in Ottawa?«
    »In Ottawa? Zu dieser Jahreszeit ist es hier sehr schön. Alphie, Enoch und ich wollen am kommen-den Wochenende mit dem Wohnwagen

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