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nicht.
Vielleicht leide ich ja nur unter Verfolgungswahn, trotzdem …
##Colonelonic (vertraulich): Ich weiß
nicht so recht, Mann. Ist es wirklich so wichtig?
Trepan /vertraulich an Colonelonic:
Ach, Mist. Pass auf, es geht um meine
Freundin. Ich glaube, sie bumst mit
diesem Kerl. Ich will einfach nur raus-
finden, wer das ist und was er macht,
weißt du.
##Colonelonic (vertraulich): Junge,
Junge. Echt scheiße. Na gut – meld dich am besten noch mal in zwei Stunden. Im Büro gegenüber sitzt ein Typ, der sich nie ausloggt, wenn er Mittagspause macht. Ich
schleich mich rüber und starte die Suche von seinem Rechner aus.
Trepan /vertraulich an Colonelonic:
Super. Danke.
##Übertrage Adressbucheintrag »Toby
Ginsburg« an Colonelonic. Empfang bestä-
tigt.
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Trepan /vertraulich an Colonelonic:
Nochmals vielen Dank.
##Colonelonic (vertraulich): Schau
später noch mal rein – dann hab ich was für dich.
Als Art sich ausloggte, empfand er fast ein Hoch-gefühl. Er würde sie drankriegen. Egal, was Fede und Linda ausgeheckt hatten: Er würde es herausfinden und die beiden zur Rechenschaft ziehen.
Aber was konnte es bloß sein?
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Eine Woche, nachdem ich in die Klapsmüh-
le eingeliefert worden war, besuchten mich mein Cousin und meine Cousine. Wir hatten uns nie sonderlich nahegestanden, und in der Woche, die ich in Toronto vor allem damit verbracht hatte, Linda und Fede auf die Schliche zu kommen, war unsere Beziehung keineswegs enger geworden.
Ich habe nur einen Cousin und eine Cousine.
Sie sind die Kinder meiner Tante väterlicherseits und ich habe sie erst kennengelernt, als ich zwanzig war und ein wenig Ahnenforschung betrieb.
Sie stammen aus Ottawa Valley und wurden mit Hilfe staatlicher Zuwendungen (die Ottawa als Bundeshauptstadt Kanadas damals recht groß-
zügig an die Bewohner der Region verteilte), mit von ihren Eltern – gealterten Hippies – bevorzugter Müsli-Kost und rustikalem Maisbrot großgezogen.
Ihre ziemlich eigenartige Kindheit und Jugend mag der Grund dafür sein, dass wir nie ein Gespräch geführt haben, das ich als befriedigend bezeichnen würde. Haben Sie je einen militanten, aggressiven Hippie kennengelernt, der genau weiß, in welchen Arsch man kriechen muss, um 266
eine Baugenehmigung zu bekommen oder die Be-seitigung einer Hanfanpflanzung zu verhindern?
Es ist kein schönes Erlebnis.
Meine Cousine heißt Audie. Sie ist ein Jahr älter als ich und in diesem Zweig der Familie diejenige mit Köpfchen. Sie hat an der renommierten Queen’s University in Kingston, Ontario studiert und mit einem Bachelor in Elektrotechnik und einem Magister in Politikwissenschaft abgeschlossen. Trotzdem ist sie später wieder in Ottawa gelandet, wo sie freiberuflich ahnungslose Abgeord-nete bei Verhandlungen mit den Importeuren von Auftragsware aus Taiwan und Sierra Leone berät.
Audie ist mit einem netten Kerl verheiratet, dessen Name mir ständig entfällt, und in fünf Jahren wollen sie Kinder haben; so steht es auf einem Zeitplan, den sie mir tatsächlich mal gezeigt hat, als ich in ihrer Gegend geschäftlich zu tun hatte und bei ihr im Büro vorbeischaute.
Mein Cousin heißt Alphie. Er ist drei Jahre jünger als ich und im Schatten seiner hochbegabten Schwester aufgewachsen. Er war der Pate der Skript-Kiddies von Ottawa Valley, ein mieser kleiner Hacker, der die Codes anderer Leute herunter-lud, um den Copyright-Schutz auszutricksen und sich ein kleines Taschengeld damit zu verdienen, dass er illegal Spiele, Pornos, Musik und Videos verkaufte. Das ging so lange gut, bis die Bots der WIPO, der Weltorganisation zum Schutz geistigen 267
Eigentums, durch Netzwerkanalysen auf ihn aufmerksam wurden. Die Leute von WIPO rissen ihm den Arsch auf, ruinierten sein Geschäft und brachten ihn für sechs Monate in den Knast.
Audie und Alfie sind blond, rotbackig und ein bisschen untersetzt. Alle körperlichen Merkmale haben sie nicht von meinem Familienzweig, das heißt vom Zweig meines Vaters und seiner Schwester, sondern von ihrem Vater geerbt. Wenn man dazu noch berücksichtigt, dass ich erst als Erwachsener von ihrer Existenz erfuhr, versteht man vielleicht, dass sich nie eine enge Beziehung zwischen uns entwickelt hat. Es ist nicht so, dass ich sie nicht leiden kann, aber wir haben so wenig gemeinsam, dass ich mir in ihrer Gesellschaft vorkomme wie unter Zeitreisenden aus der langwei-ligsten historischen Epoche, die man sich vorstellen kann.
Dennoch haben
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