Urangst

nicht genauer zu bestimmen ist. Ein schlicht geschnitztes Gesims bringt die Dachtraufen vorteilhaft zur Geltung und die Form der Schnitzerei wiederholt sich in den Fenstereinfassungen, die der Hausbesitzer zweifellos in seiner Freizeit selbst angefertigt hat.
    Aus den Schaukelstühlen auf der vorderen und hinteren Veranda, den Vogelbädern, der Miniaturwindmühle und den Gartenzwergen folgert Harrow, dass die Bewohner aufs Pensionsalter zugehen oder darüber hinaus sind. Das Ganze besitzt die Ausstrahlung eines behaglichen Nests für einen langen, wohlverdienten Ruhestand.
    Er bezweifelt, dass auch nur eine einzige der Stufen zur Veranda oder eine Bodendiele quietscht, riskiert es aber trotzdem nicht, darauf zu treten. Er gießt das Benzin zwischen die Geländer, erst auf der hinteren Veranda mit Blick auf Felder und alte Eichen, und dann auf der vorderen.

    Eine schmale Tröpfelspur Treibstoff auf dem Gras verbindet die vordere Veranda mit der hinteren, und mit dem letzten Rest des Kanisterinhalts begießt er eine Zündschnur, die auf dem Gehweg zu dem offenen Tor im Lattenzaun führt.
    Während Moongirl am sicheren Ende der Zündschnur auf ihn wartet, kehrt er zum Haus zurück, um den leeren Kanister leise auf die Veranda zu stellen. Benzindampf hängt schwer in der windstillen Luft.
    Er hat nichts auf sich selbst getropft. Als er sich von dem Haus abwendet, wölbt er die hohlen Hände über seiner Nase, und sie riechen frisch und sauber.
    Aus einer Tasche ihrer Lederjacke hat Moongirl eine Schachtel Streichhölzer gezogen. Sie benutzt nur die echten hölzernen.
    Sie reißt ein Streichholz an, bückt sich und setzt die nasse Spur auf dem Gehweg in Brand. Niedrige blau und orange gefärbte Flammen tanzen von ihr fort, als hätte die verzauberte Nacht eine Prozession übermütiger Feen hervorgebracht.
    Sie und Harrow begeben sich gemeinsam zur Westseite des Hauses, denn von dort aus haben sie sowohl die vordere als auch die hintere Veranda im Blick. Die einzigen Türen sind vorn und hinten. Diese Wand hat drei Fenster.
    Feuer springt an der Vorderseite des Hauses hoch, brodelt zwischen den Geländern und sendet weitere tanzende Feen über die Tröpfelspur, die zur hinteren Veranda führt.
    Wie immer peitschen die Flammen nach einem Zischen zu Anfang nahezu lautlos in die Höhe und nähren sich von dem Benzin, das kein Kauen erfordert. Das Knabbern und Knistern wird erst einsetzen, wenn das Feuer Holz zwischen die Zähne bekommt.

11
    Amy ging durch den Flur bis zu dem Bogengang, der ins Wohnzimmer führte, und sagte: »Hallo? Wer ist da?«
    Golden Retriever werden nicht als Wachhunde gezüchtet, und wenn man die Größe ihrer Herzen und ihre unbezähmbare Lebensfreude bedenkt, kann man davon ausgehen, dass sie weniger dazu neigen zu beißen als zu bellen und weniger dazu neigen zu bellen als zur Begrüßung eine Hand zu lecken. Trotz ihrer Größe halten sie sich für Schoßhündchen, und obwohl sie Hunde sind, halten sie sich auch für Menschen, und fast jedem Menschen, dem sie begegnen, unterstellen sie das Potenzial, ein guter Freund zu werden, der jeden Moment ausrufen könnte: »Komm, gehen wir!« und mit ihnen zu einem großen Abenteuer aufbricht.
    Trotzdem haben sie ganz beachtliche Zähne und einen ausgeprägten Hang, ihre Familie und ihr Zuhause zu beschützen.
    Amy ging davon aus, dass jeder Eindringling, der in der Lage war, drei ausgewachsene Retriever dazu zu bringen, dass sie ihm ohne ein einziges Bellen gehorchten, kein Feind sein konnte, sondern ein Freund oder zumindest harmlos sein musste. Dennoch näherte sie sich dem Wohnzimmer mit Neugier und einer gewissen Wachsamkeit.
    Als Amy Janet Brockmans Bitte nachgekommen war, Nickie zu retten, hatte sie Fred und Ethel nicht in einem dunklen Haus zurückgelassen. Eine Lampe in ihrem Schlafzimmer
und eine Leselampe aus Messing im Wohnzimmer sollten es ihnen gemütlich machen.
    Jetzt brannte die Deckenlampe im Flur. Und das Wohnzimmer rechts vor ihr war auch heller erleuchtet, als sie es zurückgelassen hatte.
    Als sie an der offenen Schlafzimmertür auf ihrer linken Seite vorbeikam und durch den Bogengang das Wohnzimmer betrat, fand sie allerdings keinen Eindringling vor, nur drei begeisterte Hunde.
    Wie es jeder Golden Retriever in einer neuen Umgebung täte, hatte sich Nickie zu einem Erkundungsgang aufgemacht und stöberte die interessantesten all dieser neuen Gerüche auf, schlängelte sich zwischen Sesseln und Sofas durch, verschaffte sich einen