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Urangst

Urangst

Titel: Urangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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brachte, sondern einen ganz bestimmten Hund zeichnete. Als er die Gesichtszüge detaillierter ausarbeitete, erkannte er, dass es die eben gerettete Nickie war.
    Das Zeichnen von Augen bereitete ihm keine größeren Schwierigkeiten als jedes andere Detail der Anatomie. Diesmal gelangen ihm jedoch in der Linienführung, in den Grautönen und den Abstufungen Effekte, die ihn selbst überraschten.
    Um echt zu wirken, mussten die Augen voller Licht sein und in ihnen musste sich das Geheimnisvolle ausdrücken, das Licht selbst dem direktesten Blick verleiht. Brian konzentrierte sich mit bis dato ungekannter Leidenschaft darauf, dieses Licht einzufangen.
    Als die Zeichnung fertig war, starrte er lange Zeit darauf. Irgendwie hatte das Anfertigen dieses Porträts ihm Aufschwung gegeben. Vanessas hasserfüllte E-Mails hatten ihn mit Kummer beladen, der jetzt weniger schwer auf ihm lastete.
    Hope und Nickie schienen untrennbar miteinander verbunden zu sein, und er hatte das Gefühl, eine nicht ohne die andere haben zu können. Er wusste selbst nicht genau, was er damit meinte – oder weshalb es so sein sollte.

    Er ging wieder ins Arbeitszimmer und verfasste eine E-Mail an Vanessa, alias Schweinehirte . Er las die Nachricht ein halbes Dutzend Mal, bevor er sie abschickte.
    Ich bin dir ausgeliefert. Ich habe keine Macht über dich und du hast alle Macht über mich. Falls du mich eines Tages haben lässt, was ich will, dann wird es nur deshalb sein, weil dir damit gedient ist nachzugeben, nicht weil ich es verdient oder mir ein Anrecht darauf erworben habe.
    Bei früheren E-Mail-Kontakten hatte er entweder mit Vanessa argumentiert oder er hatte versucht, sie zu manipulieren, wenngleich auch nie so offensichtlich, wie sie daran arbeitete, seine Schuldgefühle zu vertiefen und seinen Kummer auf die Spitze zu treiben. Diesmal vermied er jeden Appell an die Vernunft und alle Machtspielchen und gestand schlicht und einfach seine Hilflosigkeit ein.
    Er erwartete weder eine sofortige Antwort noch überhaupt irgendeine Reaktion; und selbst wenn seine flehentliche Bitte nur Gehässigkeit hervorriefe, würde er nicht im selben Ton darauf antworten. Im Lauf der Jahre hatte sie ihn wieder und wieder gedemütigt, bis seine Wut auf sie nur noch der Groll eines wettergegerbten Seemanns auf das tosende Meer war, das er tausendfach bereist hatte.
    Als er wieder in der Küche war und am Tisch saß, schlug er ein frisches Blatt des Zeichenblocks auf. Er spitzte seine Bleistifte.
    Eine unerklärliche Munterkeit hatte von ihm Besitz ergriffen, das Gefühl, neue Möglichkeiten lägen vor ihm. Er fühlte sich, als stünde er kurz vor einer Offenbarung, die sein Leben verändern würde.
    Er begann den Kopf des Hundes zu zeichnen, aber diesmal nicht leicht nach links gewandt und aus einer etwas tiefer gelegenen Perspektive. Stattdessen nahm er ihn sich von vorn und auf Augenhöhe vor.

    Ferner beabsichtigte er, das Gesicht nur von den Augenbrauen bis zur halben Höhe der Schnauze abzubilden, was hieß, dass er sich ganz auf die Augen und ihre unmittelbare Umgebung konzentrieren würde.
    Er wunderte sich darüber, dass seine Erinnerung an die äußere Erscheinung der Hündin so überaus detailliert war. Er hatte sie nur dieses eine Mal gesehen und auch da nicht lange, und doch stand sie so lebhaft vor seinem geistigen Auge wie eine hochwertige Fotografie, ein Hologramm.
    Diese glasklare Erinnerung floss vom Gedächtnis in die Hand, von der Hand in den Bleistift und vom Bleistift auf das Blatt und der Blick des Golden Retriever nahm in Grautönen Gestalt an. Aus dieser neuen Perspektive und aus nächster Nähe waren die Augen riesig und tief. Voller Licht und voller Schatten.
    Brian suchte etwas. Etwas Einzigartiges, das er dieser Hündin angesehen, aber nicht sogleich bewusst erkannt hatte. Er wollte es gestalten und sichtbar machen und es verstehen.
    Bange Erwartung erfüllte ihn, doch seine Hand blieb ruhig und arbeitete zügig.

10
    Schleier und schimmernde Schnörkel trügerischen Mondscheins verleihen der Nacht einen leicht surrealen Charakter, und doch ist der Stolz, mit dem die Besitzer dieses Anwesen pflegen, überall offenkundig.
    Die Pfosten, Riegel und Latten des Zauns zeugen im Halbdunkel von weißer geometrischer Perfektion. Der Rasen liegt so plan unter den Füßen wie ein Krocketplatz, saftig, aber präzise gemäht.
    Das einstöckige Haus ist bescheiden und doch hübsch anzusehen, weiß mit dunklen Zierleisten, deren Farbe in der Nacht

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