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Urangst

Urangst

Titel: Urangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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Martini vergessen und sich von ihrem Stuhl erhoben, um das Geschehen besser verfolgen zu können.
    Amy erkannte, dass die Hunde mit ihrem Verhalten und ihrer inneren Einstellung nicht allein für die Außerordentlichkeit des Augenblicks verantwortlich waren.
    Stille hatte sich über die Nacht herabgesenkt, als sei eine große Glasglocke über das Haus und die Terrasse gestülpt worden. Die Hintergrundgeräusche, die sie nur zum Teil bewusst wahrgenommen hatte – gedämpfte Musik aus einem der Nachbarhäuser, leises Lachen aus einem anderen, das muntere Krächzen von Kröten – waren verstummt. Sogar die seichte Brandung war zwar weder seichter geworden, noch rollte sie weniger häufig heran als bisher, doch sie schien weniger schwungvoll auf den Sand zu schwappen, beinah flüsternd.
    Das Prismenglas der sechs Sturmlampen hatte schon die ganze Zeit flackernde Regenbögen auf die weiß gestrichene Wand der Terrasse geworfen und schimmernde Münzen aus Licht auf Stühlen, Tischen und Gesichtern verstreut,
aber mit Sicherheit waren die Farben nicht so intensiv gewesen wie jetzt.
    Amys Eindruck, dass eine subtile neue Energie in der Luft hing, ähnlich der drückenden Atmosphäre unter Gewitterwolken vor dem ersten Blitz, hätte man ihrer Einbildungskraft zuschreiben können, aber es war keine Einbildung, dass sie fühlte, wie die feinen Härchen auf ihren Armen und in ihrem Nacken bebten, als reagierten sie auf die stumme Flöte statischer Aufladung.
    Mortimer erhob sich auf seine drei Pfoten, die blinde Daisy auf ihre vier. Die fünf Hunde musterten einander grinsend und schwanzwedelnd, aber immer noch in einem Zustand der Entrückung.
    Mit einer für seine Begriffe gedämpften Stimme sagte Barry Packard: »Ich kannte diesen Jungen auf dem College, Jack Dundy. Der reinste Partylöwe. Bier, Kartenspiele, Mädchen und Gelächter, dafür hat er gelebt. Sein Studium hat er mit minimalem Arbeitsaufwand betrieben. Er kam aus einer reichen Familie, war verwöhnt und verantwortungslos, aber auf seine Weise verdammt liebenswert.«
    Was auch immer das für eine Geschichte sein mochte, die Barry erzählte – sie schien nichts mit dem zu tun zu haben, was sich gerade zwischen den Hunden abgespielt hatte. Dennoch fühlte Amy weiterhin ein Prickeln auf ihren Armen, in ihrem Nacken und auf der Kopfhaut.
    »An einem Sonntagabend kommt Jack nach einem Wochenende zu Hause ins College zurück. Zwei Kreuzungen vor dem Campus sieht er im Erdgeschoss eines dreistöckigen Wohnhauses Feuer hinter den Fenstern. Er betritt das Haus, ruft Feuer und pocht an Türen, während sich das Gebäude schnell mit Rauch füllt.«
    Amy kam es so vor, als lauschten selbst die Hunde aufmerksam der Geschichte.

    »Es hieß, Jack hätte dreimal Leute aus dem Gebäude geführt, bevor die Feuerwehr eingetroffen ist, und mindestens fünf Kinder gerettet, deren Eltern von Flammen umzingelt waren und gestorben sind. Er hat weitere Kinder schreien gehört und ist ein viertes Mal reingegangen, obwohl er die Sirenen schon kommen hörte. Er ist nach oben gelaufen, hat im dritten Stock eine Fensterscheibe eingeschlagen und zwei kleine Mädchen Leuten auf dem Rasen zugeworfen, die sie in Decken aufgefangen haben, ist ins Zimmer zurück, um ein drittes Kind zu holen, hat es aber nie mehr bis ans Fenster geschafft. Er ist dort drinnen gestorben, bis zur Unkenntlichkeit verbrannt.«
    Die nächtlichen Geräusche setzten wieder ein. Gedämpfte Musik aus einem anderen Haus. Das Krächzen der Kröten.
    »Mir war unbegreiflich, wie der Jack Dundy, den ich kannte, ein Faulenzer und Partylöwe, der verwöhnte reiche Junge, der für jeden Blödsinn zu haben war … etwas derart Heroisches und Selbstloses getan haben konnte. Lange Zeit schien es mir, als hätte ich nicht nur Jack Dundy, sondern die ganze Welt überhaupt nicht verstanden, als sei nichts so einfach, wie es zu sein schien, als sei ich ein Schauspieler und begriffe gerade erst, dass ich in einem Stück mitspiele, nichts als bemalte Kulissen um mich herum, und hinter den Kulissen und dem Geschehen auf der Bühne verbirgt sich etwas ganz anderes.«
    Barry verstummte, blinzelte und sah sich um, als hätte er einen Moment lang vergessen, wo er war.
    »Ich habe seit Jahren nicht mehr an Jack Dundy gedacht. Warum ist er mir wohl gerade jetzt wieder eingefallen?«
    Amy hatte keine Antwort darauf, aber aus Gründen, die sie nicht wirklich in Worte fassen konnte, erschien ihr die Geschichte dennoch dem Moment

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