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Urangst

Urangst

Titel: Urangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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angemessen.

    Plötzlich waren die Hunde wieder Hunde. Jeder von ihnen suchte die Berührung menschlicher Hände und die gesäuselten Schmeicheleien, die ihnen sagten, dass sie schön waren und geliebt wurden.
    Das Meer zog sich in die Schwärze zurück. Weitere Schwärze lag hinter dem Mond und noch mehr Schwärze hinter den Sternen.
    Amy kniete sich hin, um Daisy den Bauch zu kraulen, aber da ihr die blinde Hündin nicht in die Augen sehen konnte, wanderte ihr Blick stattdessen zu Nickie, die sie beobachtete.
    In ihrer Erinnerung schwang sich der Schwarm von Möwen unter tosendem Flügelschlagen erschrocken in die Luft auf, Federn loderten weiß im schwenkenden Strahl des Leuchtturms und die Vögel stießen schrille Schreie aus, als wollten sie Zeugnis von dem Grauen unter ihnen ablegen. Als schrien sie: Mord, Mord!, und Amy stand mit der Waffe in beiden Händen in dem blutbefleckten Schnee und schrie gemeinsam mit den Möwen.

43
    Billy Pilgrim lief zweimal an dem Gebäude vorbei, in dem sich die Büros von Brian McCarthy und seine Wohnung befanden. Auf beiden Etagen waren die Fenster dunkel.
    Der Boss hatte telefonisch bestätigt, dass der Handel zustande gekommen war. McCarthy und Redwing waren mittlerweile offenbar nach Santa Barbara aufgebrochen.
    Billy kehrte zu dem Cadillac zurück, in dem Pauline Shumpeter einen schweren Schlaganfall erlitten, sich aber nicht beschmutzt hatte. Er fuhr ihn kühn auf den Parkplatz neben McCarthys Gebäude.
    Nachdem er Latexhandschuhe über seine Hände gestreift hatte, stieg er aus dem Wagen und kletterte die Außentreppe zur Wohnungstür hinauf.
    Er brauchte Handschuhe, weil er nicht die Absicht hatte, dieses Haus mit exotischen russischen Brandbomben in geschmolzenes Metall und Ruß zu verwandeln. Er hätte es vorgezogen , Fingerabdrücke zu hinterlassen und das Gebäude dann niederzubrennen, weil seine Hände in den Handschuhen schwitzten und er sich vorkam wie ein Proktologe.
    Mit Hilfe seines Dietrichs öffnete er die verriegelte Tür innerhalb von zwanzig Sekunden, trat ein, schloss die Tür hinter sich und blieb einen Moment stehen, um auf Geräusche zu lauschen, die ihm sagten, dass sich hier jemand aufhielt, den er möglicherweise töten musste.
    Normalerweise brachte Billy nicht zwei Leute pro Tag um und assistierte zusätzlich bei der Ermordung und Entsorgung
von zwei weiteren Personen. Wenn das einer der Tage gewesen wäre, an denen man seinen Sohn zur Arbeit mitnahm, und wenn er einen Sohn gehabt hätte, dann wäre der Junge heute zu der Schlussfolgerung gelangt, dass der Job seines Dads viel mehr Glamour hatte, als es in Wirklichkeit der Fall war.
    Manchmal vergingen Monate zwischen zwei Morden. Und es konnte durchaus vorkommen, dass Billy ein Jahr oder sogar zwei Jahre hintereinander keinen Freund wie Georgie Jobbs und auch keinen Wildfremden wie Shumpeter verheizen musste.
    In seinem Berufszweig war es erforderlich, Tag für Tag Straftaten zu begehen, das war ja klar, aber in erster Linie waren es keine Schwerverbrechen, die einem eine Todesspritze und ein Begräbnis auf Staatskosten bescheren konnten.
    Im wahren Leben kamen selten so viele Leichen vor wie in guten Romanen des Genres »Alles ist sinnlos und lachhaft«; deshalb las Billy selbst nach all diesen Jahren noch so viele Bücher.
    Zermürbenderweise war das wahre Leben oft auch nicht unter Garantie so sinnlos, wie das Leben von seinen Lieblingsautoren dargestellt wurde. Ab und zu geschah etwas, das auf bedeutsame Muster hinter Ereignissen schließen ließ, oder er begegnete jemandem, dessen Leben voller Sinn und Zweck zu sein schien.
    In solchen Momenten zog Billy sich zu seinen Büchern zurück, bis seine Zweifel ausgeräumt waren.
    Wenn es den Lieblingsbüchern misslang, ihn zu einer vollständigen Regeneration seines behaglichen Zynismus anzuspornen, tötete er die Person, deren Leben ihm bedeutsam erschien, was sofort bewies, dass die Bedeutung eine Illusion gewesen war.

    In der Wohnung war weiterhin kein Laut zu vernehmen, und schließlich lief Billy von einem Raum zum anderen und schaltete die Lichter ein.
    Die minimalistische Einrichtung missfiel ihm. Zu viel Zen. Zu viel Ruhe. Nichts hier war echt. Das Leben war reines Chaos. Diese Einrichtung war nicht authentisch.
    Authentisch war eine geistig verwirrte alte Dame, die mit den Tageszeitungen von fünfzig Jahren und Tausenden von Mülltüten lebte. Dazu der seit zwölf Jahren tote Ehemann auf dem Sofa im Wohnzimmer und sechsundzwanzig Katzen

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