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Urangst

Urangst

Titel: Urangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean Koontz
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waren nichts weiter als Fleisch gewordene
Maschinen. Weder Maschinen noch Fleisch musste man bedauern.
    Derselbe Roman hatte ihn immer wieder herzhaft und schallend lachen lassen. Er hatte so viele Tränen über die bodenlose Dummheit der Menschheit gelacht, dass auch sein diesbezüglicher Tränenvorrat fürs Leben verbraucht war.
    Diese neuen Tränen verblüfften Billy.
    Sie überraschten und erstaunten ihn.
    Sie alarmierten ihn aber auch.
    Das Grauen ließ seine Handflächen klamm werden.
    Die Latexhandschuhe mit der Nanostruktur waren jetzt glitschig; sein Schweiß staute sich bis zu den Manschetten zurück, sickerte an seinen Handgelenken entlang und ließ seine Hemdsärmel feucht werden.
    Wenn es sich bei diesen Tränen um ein vorbereitendes Gleitgel für stürmische Lachsalven handeln sollte, hätte er sie vielleicht akzeptieren können. Aber er hatte nicht den Eindruck, dass Gelächter in ihm aufstieg.
    Seine Verachtung für die Menschheit war weiterhin rein und unverdünnt. Daher wusste er, dass diese Tränen nicht dem immens komischen Entsetzen über die Lebensbedingungen des Menschen entsprungen sein konnten.
    Nur eine andere Möglichkeit kam ihm in den Sinn – dass es sich um Tränen handelte, die er um sich selbst vergoss, um das Leben, in dem er sich eingerichtet hatte.
    Seine Besorgnis eskalierte zu Furcht.
    Selbstmitleid besagte klar und deutlich, dass man das Gefühl hatte, einem sei Unrecht geschehen, das Leben hätte einen ungerecht behandelt. Gerechte Behandlung konnte man nur erwarten, wenn sich der Lauf des Universums auf eine Reihe von Prinzipien begründete, ein gewisses Tao, und wenn das Universum im Grunde seines Herzens wohlwollend war.

    Eine solche Vorstellung war ein intellektueller Strudel, ein Schwarzes Loch, das ihn in sich aufsaugen und ihn zerstören würde, wenn er zuließ, dass seine Grauen erregende Schwerkraft ihn einen weiteren Moment gefangen hielt.
    Billy war bestens mit der Macht von Ideen vertraut. »Du bist, was du isst«, halten die Ernährungswissenschaftler den Liebhabern von Fast Food unermüdlich vor. Aber man ist auch die Summe der Ideen, die man verschlungen hat.
    Mit dem Durst eines unersättlichen Schluckspechts hatte er die Romane zweier Generationen tiefschürfender Denker in sich hineingeschüttet. Er war in ihren Ideen mariniert, behaglich mariniert. Mit einundfünfzig war er zu alt für die Verwandlung von einem Dillzweig in eine Gurke. Schon mit fünfundzwanzig wäre er dafür zu alt gewesen.
    Er wusste nicht, warum die Zeichnungen ihn zu Tränen gerührt hatten.
    Mit rasendem Herzschlag und der Atmung eines Mannes, den die Panik gepackt hat, widerstand er dem Verlangen, sie eingehender zu betrachten, um den Grund für ihre außergewöhnliche Wirkung zu ermitteln.
    Da sein Glück und seine Zukunft auf dem Spiel standen, sammelte Billy die Zeichnungen augenblicklich ein, eilte mit ihnen in Brian McCarthys Arbeitszimmer und schob sie in einen Reißwolf, der neben dem Schreibtisch stand.
    Er war beinah davon überzeugt, dass sie sich wie etwas Lebendiges in seinen Händen wanden, als er die verhedderte Masse Papierstreifen von einem halben Zentimeter Breite in eine dunkelgrüne Mülltüte stopfte, die er in der Küche fand. Später, in Santa Barbara, würde er auch die geschnetzelten Zeichnungen verbrennen.
    Als er das Gehirn des Computers, den Papierkorb voller E-Mail-Ausdrucke und die Tüte mit den gehäckselten Zeichnungen zu dem Cadillac trug und sie im Kofferraum verstaute,
war sein Herzschlag fast auf das normale Maß zurückgegangen, und er hatte seine Atmung wieder unter Kontrolle.
    Hinter dem Steuer des Wagens zog er die widerwärtig glitschigen Latexhandschuhe aus und warf sie auf den Rücksitz.
    Er wischte sich die Hände an seiner Hose, an seinem Sportsakko und an seinem Hemd ab und fuhr dann los, um McCarthys Gefahrengrube hinter sich zu lassen.
    Als er die Auffahrt auf den Freeway nahm, war der Strom seiner Tränen versiegt, und seine Wangen hatten zu trocknen begonnen.
    Er vermutete, nichts würde sich besser eignen, um den gesamten verstörenden Vorfall aus seinem Gedächtnis zu löschen, als einen x-beliebigen Wildfremden umzubringen.
    Manchmal muss man allerdings sogar einen zufälligen Mord bis zu einem günstigeren Moment aufschieben. Billy war schon spät dran, um nach Santa Barbara zu kommen und musste versuchen, die verlorene Zeit wieder hereinzuholen.

44
    In Amys Haus füllte Brian Trockenfutter und Leckerbissen in verschließbare

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