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Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)

Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)

Titel: Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bree Despain
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rannte schneller. Er rief meinen Namen, wollte, dass ich stehen blieb. Ich konnte nicht. Die Kraft war in jede meiner Zellen gedrungen, trieb mich weiter an. Daniel holte michmit dem Motorrad ein. Ich hörte ihn rufen, sprang jedoch auf den Bürgersteig und bahnte mir einen Weg über verschiedene Grundstücke und zwischen den Häusern hindurch, wo er mir nicht folgen konnte.
    Auch als ich sicher war, dass ich ihn abgeschüttelt hatte, lief ich nicht langsamer. Die halbmondförmige Narbe an meinem Arm pochte wie wild. Ich beschleunigte mein ohnehin schon rasendes Tempo. Ich rannte jetzt schneller, als ich es mir vor ein paar Monaten auch nur hätte träumen lassen. Und ich zwang mich selbst, noch schneller zu laufen. Meine Beine schrien förmlich nach mehr. Ich brauchte es. Lechzte danach.
    Meine Füße flogen dahin wie der Blitz. Mittlerweile war es ganz dunkel geworden. Das Blut schoss mir ins Gesicht und ich verspürte einen enormen Druck hinter den Augen. Ich blinzelte und plötzlich war meine Sehkraft besser, schärfer, fast so, als wäre die Nacht heller geworden. Ich konnte jetzt genauso gut sehen wie in der Dämmerung eines trüben Tags.
    Dabei musste ich überhaupt nichts sehen. Meine Füße wussten instinktiv, wo sie entlanglaufen sollten. Sie setzten an genau den richtigen Stellen auf und vermieden haarscharf die Risse und Schlaglöcher in den unebenen Straßen. Sie fanden den bequemsten Weg zwischen den Grabsteinen und den verwachsenen Büschen auf dem Friedhof am Faraway Boulevard. Mit jedem blitzschnellen Schritt schmolzen Schmerz und Wut dahin und wurden von einem Gefühl des puren Glücksrauschs abgelöst.
    Freiheit.
    Unbekümmertheit.
    So wie ich mich beim ersten Mal gefühlt hatte, als ich mit Daniel durch den Wald gerannt war. Damals, als er mich mit sich gezogen hatte. Damals, als ich rein menschlich war. Ich hatte mich so großartig gefühlt. Nie zuvor hatte ich so etwas erlebt.
    Das hier war noch weitaus mehr. Nicht nur Energie, die von jemandem auf mich übertragen wurde. Das hier kam aus meinem Innern. Es war meine Kraft. Und niemand konnte sie mir wegnehmen.
    Ich warf den Kopf zurück, betrachtete den am Himmel aufsteigenden, silbrig glänzenden Mond und ließ mich von diesem Gefühl der Kraft durchströmen. Prickelnde Hitze fuhr mir durch Arme, Beine und Brust
.
    Jetzt hast du die Kontrolle
, versicherte mir die fremde Stimme, während ich weiterlief.
    Ich hatte endlich die Grenze überschritten.

KAPITEL 11

Der Fremde
     
    Eine Stunde später
     
    Als ich über die Crescent Street sprintete, ragte der Mond über den Turm der Pfarrkirche. Es war Sonntag, am nächsten Tag war wieder Schule und die meisten Leute in Rose Crest waren zu Bett gegangen. Nur ein paar wenige Autos standen auf der Straße, der Parkplatz für die Schule und die Kirche war leer. Ich verspürte freudige Erregung, weil ich so weit gekommen war und so viel erreicht hatte, während die meisten Bewohner zu Hause im Bett lagen. Noch immer konnte ich kaum glauben, dass ich so lange in diesem Tempo gelaufen war und alle meine Kräfte gleichzeitig benutzt hatte, ohne die Kontrolle zu verlieren. Ein Teil von mir wollte zurück zu Daniel – ihm die guten Nachrichten überbringen und den Stolz auf seinem Gesicht sehen. Doch als mir einfiel, weswegen ich überhaupt losgelaufen war, wurde mir schwer ums Herz.
    Ich verringerte mein Tempo zu einem lockeren Trab. Es waren nur noch ein paar Blocks bis zu unserem Haus und ich wollte etwas runterkommen.
    Als ich an der Kirche vorbeilief, fiel mir etwas Merkwürdiges auf: Das Licht war eingeschaltet. Es war spät und Dad noch immer unterwegs. Ich wusste zwar, dass das Licht möglicherweise irgendwann am Wochenende vergessen worden war, aber mein Gefühl, wie eine Artsechster Sinn, sagte mir, dass sich irgendwer oder irgendwas im Innern des Gebäudes aufhielt. Wer könnte dort jetzt um diese Zeit sein?
    Meine Gedanken wanderten unmittelbar zu den Ereignissen im Supermarkt, dem versuchten Einbruch in die Schule und Daniels Spekulationen, dass Jude womöglich an die Orte seiner früheren Verbrechen zurückkehrte. Erst Maryannes Haus, dann James’ Fenster, dann der Supermarkt und schließlich die Schule. Wäre der nächste logische Schritt nicht die Pfarrkirche – der letzte Ort, zu dem er gehen würde? Der Ort, an dem er sich letztlich in einen Werwolf verwandelt hatte. Der Ort, an dem er mich angegriffen, infiziert und an dem er Daniel zu töten versucht hatte.
    Ich wollte nicht glauben,

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