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Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)

Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)

Titel: Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bree Despain
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konnten an den Tatorten nichts aufzeichnen. Die Behörden vermuten, dass sie auf irgendeine Weise vor den Überfällen außer Funktion gesetzt wurden.«
    Die Kamera wechselte zu einem untersetzten Nachrichtensprecher mit strubbeligem Haar, der hinter einem Schreibtisch saß. »Wow, Graham«, meinte er. »Die Überfälle kommen einem unheimlich bekannt vor, nicht wahr?«
    »Ja«, erwiderte der Reporter. »Diese beiden Überfälle könnten mit einer Reihe anderer bizarrer und unerklärlicher Diebstähle und Angriffe in Verbindung gebracht werden, über die wir in den letzten Monaten berichtet haben. Doch anscheinend ist die Polizei genauso verwirrt wie alle anderen.«
    »Hmm«, fuhr der Nachrichtensprecher fort. »Vielleicht sollten wir uns alle Gedanken darüber machen, ob das Markham Street Monster wieder erwacht ist und sich der organisierten Kriminalität zugewandt hat …«
    Ich stellte den Fernseher leiser und unterbrach damit den Nachrichtensprecher, der über seinen eigenen blöden Scherz kicherte. Ich hatte Witze über das Markham Street Monster noch nie lustig gefunden – zumal ich mittlerweiledie Wahrheit über es kannte … oder ihn, sollte ich wohl eher sagen.
    Mom schien es egal zu sein, dass ich die Lautstärke drosselte. Sie starrte weiterhin wie gebannt auf den Bildschirm und betrachtete die Schaulustigen, die zu den mysteriösen Überfällen befragt wurden. Ihr Blick richtete sich auf jedes einzelne Gesicht in der Menge. Ich wusste, wen sie suchte.
    »Mom?« Ich räumte das leere Weinglas und die Schale mit kalter Tomatensuppe vom Couchtisch. »Du hast ja gar nichts gegessen. Soll ich dir irgendwas anderes machen?«
    Mom rückte ein kleines Stückchen zur Seite, sodass sie an mir vorbeisehen konnte.
    »Dad hat gesagt, dass ich Dr. Connors anrufen soll, wenn du wieder mit dem Essen aufhörst.«
    Sie zuckte nicht mal mit der Wimper.
    Jede Faser in mir wollte Mom von Judes Anruf berichten. Dass er hier in Rose Crest gewesen war. Dass ich mit ihm gesprochen hatte. Dass er vielleicht, während sie gerade in den Nachrichten nach irgendeiner Spur von ihm suchte, genau vor dem Schlafzimmerfenster ihres anderen Sohns gewesen war.
    Doch genau jener letzte Gedanke hielt mich ab. Ich wusste nicht, warum Jude zurückgekommen war. Ich wusste nicht, ob er, wenn er in die Fenster der Menschen blickte, die er einst seine Familie genannt hatte, eher Monster oder eher Mensch war. Und ich wusste nicht, ob er nach dem heutigen Abend überhaupt zurückkommen würde. Ich wusste nur, dass es, zumindest im Augenblick, besser war, Mom nichts zu erzählen.
    Sie griff nach der Fernbedienung und stellte die Lautstärke wieder ein paar Stufen höher. Ich trug ihre Suppenschale zum Spülbecken in der Küche. Beim Ausleeren beobachtete ich, wie die rote, dickflüssige Tomatensuppe im Ausguss verschwand. Dann spülte ich die Schale aus, füllte das Spülbecken mit dem heißesten Wasser, das aus dem Hahn kam, und machte mich an das restliche Geschirr. Ich weiß nicht wieso, doch ich mochte es, wie die Hitze meine Hände anschwellen ließ, während ich sie in das brühheiße Wasser tauchte und den Abwasch machte. Moms Zombie-Queen-Modus rief in mir immer das Bedürfnis hervor, ein extrastarkes Gefühl erleben zu wollen – als ob ich den Schmerz für uns beide spüren wollte.
    Während ich einen Topf ausscheuerte, betete ich im Stillen, dass Mom in den Nachrichten niemanden entdecken würde, der vielleicht wie Jude aussah. Dann würde sie sich total aufregen, Dad anrufen und ihn in jede xbeliebige Stadt, jeden Staat, ja, sogar jedes Land schicken, wo sie glaubte, ihn entdeckt zu haben. Und Dad würde hinfahren, auch wenn er bereits seit fast zwei Wochen unterwegs war. Weil es sich
diesmal
vielleicht tatsächlich um Jude handeln könnte. Vielleicht könnte er ihn diesmal finden und nach Hause bringen.
    Als Mom zum ersten Mal geglaubt hatte, Jude im Fernsehen zu sehen, war ich ebenso hoffnungsvoll wie sie. Die ganze Nacht hatte ich mit ihr am Fenster gewartet, während Dad nach ihm Ausschau hielt.
    Als Dad allein zurückgekommen war, hatte es sich angefühlt, als hätte Jude uns ein zweites Mal verlassen. Momaß eine ganze Woche lang nichts, bis sie glaubte, Jude im Hintergrund einer CNN-Nachrichtensendung über einen Brand in einer Industrieanlage in Kalifornien entdeckt zu haben. Auch diesmal war es ein Schlag ins Wasser; Mom ging es nur schlechter und schlechter, je länger Dad fortblieb. Nach dem dritten Mal, als er einer ihrer

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