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Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)

Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition)

Titel: Urbat - Der verlorene Bruder: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bree Despain
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aber nie getan hatte. Gute Lehrer machen so etwas nicht.
    »Nein«, antwortete Daniel. »Manchmal vermisse ich meine Kräfte. Aber ich habe nie bereut, was du für mich getan hast. Ich bin nur durch dich hier. Ich bin wieder ein ganzer Mensch. Ich könnte niemals an diesen Ort zurückgehen, an dem ich mich befunden habe. Ich könnte es nie wieder verkraften, dass ich vielleicht das Potenzial zu einem Monster hätte. Ich glaube, ich würde lieber sterben …« Daniels Worte verloren sich. Er zögerte für einen Moment, dann fragte er: »Bereust du es? Bereust du, dass du mich gerettet hast?« Am Klang seiner Stimme erkannte ich, dass auch er diese Frage seit einer Weile zurückgehalten hatte.
    Ich blickte auf das Spülbecken. Auf der Wasseroberfläche hatte sich ein trüber Seifenfilm gebildet. »Manchmal wünsche ich mir fast, ich könnte zurückgehen und Jude davon abhalten, mich mit dem Werwolffluch zu infizieren. Aber ich halte dann immer inne. Denn wenn es darumgeht, deine Seele zu retten, so würde ich nicht riskieren, etwas an dem zu ändern, was ich in jener Nacht getan habe. Diesen Teil bereue ich überhaupt nicht. Diesen Teil würde ich für nichts in der Welt eintauschen. Dich retten und dich heilen. Dafür würde ich mich tausend Mal infizieren lassen.« Mit der Fingerspitze zeichnete ich einen Kreis in den Seifenwasserfilm. »Ich wünschte nur, dass sich, was Jude betrifft, die Dinge anders entwickelt hätten, verstehst du? Ich wünschte, ich wüsste, wie ich ihn nach Hause bringen könnte.« Ich seufzte. »Ich wünschte, ich wüsste, wie ich diese Kräfte richtig anwenden kann, wenn ich schon mit ihnen infiziert bin. Wie ich sie benutzen könnte, um jetzt Jude zu helfen.«
    Ich wandte mich von Daniel ab, tauchte meine Hand in das Spülwasser und zog den Stöpsel heraus. Ich wollte gerne wieder das heiße Wasser auf meiner Haut fühlen, doch es war während unserer Unterhaltung merklich abgekühlt. Plötzlich spürte ich Wärme an meiner Schulter und stellte fest, dass Daniel seine Hand auf meinen rechten Arm gelegt hatte, gleich oberhalb der Stelle, wo die halbmondförmige Narbe von meinem Hemdsärmel bedeckt war. Ich hatte ihren stechenden Schmerz gar nicht bemerkt, bevor ich seine lindernde Berührung spürte. Einen Moment lang ließ er seine Hand auf meinem Arm, zog sie dann weg und trocknete weiter Geschirr ab.
    Daniel blieb, bis wir die Küche aufgeräumt hatten und Mom sich durch alle aufgezeichneten Nachrichtensendungen der anderen Kanäle gezappt hatte. Ich verabschiedete ihn an der Tür. In der Sekunde, als er gegangen war,fühlte sich das Haus völlig leer an – genauso, wie ich es vorausgeahnt hatte. Ich verschloss alle Türen und Fenster, schaltete den Fernseher aus und schickte Mom ins Bett. Als ich allein in meinem Zimmer war, versuchte ich Dad anzurufen. Sofort schaltete sich die Mailbox ein.
    »Dad, Jude war hier«, sprach ich schließlich auf den Anrufbeantworter. »Hier in Rose Crest. Bitte komm nach Hause.« Ich lauschte dem Schweigen in der Leitung, bis die Mailbox schließlich piepte und die Verbindung unterbrach.
    Mit dem Telefon in der Hand überprüfte ich die Verriegelung an meinem Fenster und entdeckte dabei ein schwaches Leuchten im Innern des Corolla. Ich hatte ihn neben der Einfahrt vor dem Haus stehen lassen. Ich linste durch die Jalousien und sah Daniel, der sich auf dem Rücksitz zusammengerollt hatte. Für mich sah es so aus, als wäre er beim Lesen eines Buchs eingenickt.
    Der Abend mit Daniel war nicht glatt verlaufen und überhaupt nicht so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, als er vorschlug, dass wir uns den Meteoritenschauer gemeinsam ansehen sollten. Doch ihn da draußen vor dem Haus zu sehen, zu wissen, dass er da war, gab mir ein warmes und sicheres Gefühl, so als ob nichts uns jemals auseinanderbringen könnte.
    Ich klappte mein Handy auf und schickte Daniel eine SMS:
Ich liebe dich.
    Als ich ins Bett krabbelte, kündigte mein Handy mit einem Piepen seine Antwort an:
Für immer.
    Dann kam, dreißig Sekunden später, eine weitere Nachricht:
Hab Geduld. Wir kriegen es schon hin. Wenn dein Dad zurückkommt, weiß er vielleicht, was zu tun ist.
Schließlich kam noch eine Meldung.
Ich glaube an dich.
    Dann, fast ganze zwei Minuten später, als wäre ihm plötzlich zum ersten Mal der Gedanke gekommen:
Bitte mach dich nicht allein auf die Suche nach Jude, o.k.?
    O.k.
, schrieb ich zurück.
    Ich wusste ja nicht mal, wo ich mit der Suche hätte anfangen

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