Urbi et Orbi
hier um sie und nicht um ihn ging.
»Paolo hat heute Nachmittag Ihre Begegnung mit Michener auf der Piazza beobachtet. Die war alles andere als herzlich. Haben Sie ihn nicht › Drecksack ‹ genannt?«
Sie warf einen Blick auf seinen Helfer. »Ich kann mich nicht erinnern, diesen Mann gesehen zu haben.«
»Der Petersplatz ist groß«, bemerkte Ambrosi leise.
»Vielleicht überlegen Sie jetzt, wie er sie nur gehört haben kann? Sie haben ja kaum geflüstert. Aber Paolo liest problemlos von den Lippen ab. Ein sehr nützliches Talent, finden Sie nicht auch?« Sie schien um eine Antwort verlegen, und s o l ieß er sie einen Moment lang zappeln und sagte dann: »Ms. Lew, ich habe nicht vor, Sie zu erpressen. Monsignore Michener wird in Kürze eine Reise im Auftrag des Papstes unternehmen. In dieser Sache brauche ich Ihre Unterstützung.«
»Was sollte ich denn für Sie tun können?«
»Jemand muss beobachten, wohin er fährt und was er dort tut. Dafür wären Sie perfekt geeignet.«
»Und warum sollte ich das tun?«
»Weil es einmal eine Zeit gab, in der er Ihnen etwas bedeutet hat. In der Sie ihn vielleicht sogar liebten. Vielleicht lieben Sie ihn ja immer noch. Viele Geistliche wie Monsignore Michener haben Beziehungen mit Frauen gehabt. So ist das in unserer gottlosen Zeit. Ein Gelübde bedeutet diesen Männern nichts mehr.« Er hielt inne. »Und ob sie dabei eine Frau verletzen, ist ihnen völlig gleichgültig. Ich spüre aber, dass Sie dem Monsignore nichts Schlimmes wünschen.« Er ließ seine Worte wirken. »Wir sind der Meinung, dass es da ein Problem gibt, das Michener schaden könnte. Nicht körperlich, Sie verstehen schon, aber es könnte seine Position in der Kirche und seine Karriere gefährden. Ich möchte dies verhindern. Ließe ich Michener aber von einem Angehörigen des Vatikans beobachten, wäre Geheimhaltung unmöglich und der Auftrag zum Scheitern verurteilt. Ich mag Michener. Ich möchte nicht, dass seine Karriere vielleicht schon bald abrupt endet. Daher muss jemand ihn beschützen, der das so unauffällig tun kann wie Sie.«
Sie zeigte auf Ambrosi. »Warum schicken Sie nicht den Padre hier?«
Valendrea fand sie ganz schön dreist. »Hochwürden Ambrosi ist zu bekannt für eine solche Aufgabe. Micheners Auftrag führt ihn glücklicherweise nach Rumänien, ein Land, das Sie ausgezeichnet kennen. Sie könnten also auf der Bildfläch e e rscheinen, ohne dass er stutzig wird. Falls er überhaupt erfährt, dass Sie da sind.«
»Und was wäre der Zweck dieses Besuchs in meinem Heimatland?«
Valendrea wehrte ab. »Unnötige Informationen würden Sie nur voreingenommen machen. Sie sollen einfach nur beobachten, umso objektiver können Sie dann berichten.«
»Anders gesagt, Sie wollen es mir nicht sagen.«
»Genau.«
»Und was hätte ich davon, dass ich Ihnen diesen Gefallen tue?«
Er kicherte leise und nahm sich eine Zigarre aus einem Seitenfach in der Tür. »Leider wird Clemens XV. uns bald verlassen. In absehbarer Zukunft steht ein Konklave bevor. In diesem Fall werden Sie einen Freund haben, der Ihnen mehr als genug Informationen liefert, um Ihren Artikeln in journalistischen Kreisen Gewicht zu verschaffen. Vielleicht können Sie dann sogar wieder für all die großen Zeitungen arbeiten, die Sie fallen gelassen haben.«
»Soll ich jetzt beeindruckt sein, weil Sie so viel über mich wissen?«
»Ich versuche nicht, Sie zu beeindrucken, Ms. Lew. Ich möchte mich nur Ihrer Hilfe versichern und verspreche Ihnen dafür etwas, wofür jeder Journalist sich glatt die Hand abhacken lassen würde.« Er steckte die Zigarre an und zog daran. Er machte sich nicht die Mühe, das Fenster zu öffnen, sondern qualmte den Wagen rücksichtslos voll.
»Diese Angelegenheit muss Ihnen wichtig sein«, bemerkte Katerina.
Ihre Formulierung entging ihm nicht. Sie sagte nicht: der Kirche wichtig sein , sondern Ihnen wichtig sein . Er beschloss, einen Hauch von Wahrhaftigkeit in ihre Unterredung einfließen zu lassen. »Zumindest so wichtig, dass ich Sie hier aufgesucht habe. Ich versichere Ihnen, dass ich meinen Teil der Abmachung einhalten werde. Das nächste Konklave wird eine enorme Bedeutung haben, und Sie werden dann verlässliche Informationen aus erster Hand erhalten.«
Sie schien noch immer mit sich zu kämpfen. Vielleicht hatte sie geglaubt, in Colin Michener jene anonyme vatikanische Quelle zu besitzen, mit der sie für ihre Artikel hausieren gehen konnte. Hier bot sich nun eine andere Möglichkeit.
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