Urbi et Orbi
Nebenstraße, der Via Frattini, auf deren Bürgersteig sich die Nachtschwärmer drängten.
»Sie wohnt in diesem Hotel dort vorn«, sagte Ambrosi . » Das weiß ich aus ihrem Akkreditierungsantrag, der vom Sicherheitsdienst abgeheftet wurde.«
Ambrosi war gründlich zu Werk gegangen, wie immer. Mit seinem unangekündigten Besuch bei Katerina Lew ging Valendrea ein Risiko ein, doch er hoffte, angesichts des Gedränges und der späten Stunde von neugierigen Blicken verschont zu bleiben. Er sah ein Problem darin, den Kontakt herzustellen, weil er nicht unbedingt vor aller Augen in ihr Zimmer marschieren wollte. Ambrosi wollte er auch nicht hochschicken. Doch dann konnte er erfreulicherweise feststellen, dass all das nicht nötig sein würde.
»Anscheinend hält Gott ein Auge auf unsere Mission«, bemerkte er und zeigte auf eine Frau, die über den Bürgersteig auf die Efeuranken des Hoteleingangs zuschlenderte.
Ambrosi lächelte. »Timing ist alles.«
Der Fahrer erhielt Anweisung, am Hotel vorbeizufahren und neben der Frau zu halten. Valendrea drückte auf einen Knopf, und die Fensterscheibe glitt lautlos nach unten.
»Ms. Lew, guten Tag. Ich bin Alberto Kardinal Valendrea. Vielleicht erinnern Sie sich? Ich habe heute Vormittag das Tribunal geleitet. «
Sie blieb stehen und wandte sich dem Wagenfenster zu. Ihre Haltung, ihr energisches Auftreten, die Art, wie sie den Kopf hob und sich aufrichtete, als er sie ansprach, all das ließ auf eine Charakterstärke schließen, die man wegen ihrer geringen Körpergröße gar nicht vermutete. Sie reagierte so gleichmütig, als würde sie täglich von hohen kirchlichen Würdenträgern angesprochen, Kardinalstaatssekretär hin oder her. Doc h V alendrea spürte auch Ehrgeiz in ihr, und da entspannte er sich. Vielleicht war das Ganze viel leichter als erwartet.
»Könnten wir uns vielleicht miteinander unterhalten? Hier im Wagen?«
Sie warf ihm ein Lächeln zu. »Wie könnte ich ein so großzügiges Angebot des Kardinalstaatssekretärs ausschlagen?«
Er öffnete die Tür, rutschte zur Seite und machte ihr Platz. Sie stieg ein und knöpfte ihre gefütterte Jacke auf. Ambrosi schloss die Tür hinter ihr. Valendrea fiel auf, dass ihr Rock beim Hinsetzen ein Stück nach oben rutschte.
Der Mercedes rollte langsam an und hielt ein kleines Stück entfernt in einer schmalen, menschenleeren Gasse. Der Fahrer stieg aus und ging zur Einfahrt der Gasse zurück. Dort würde er dafür sorgen, dass keine anderen Autos kamen.
»Darf ich vorstellen: Hochwürden Paolo Ambrosi, mein persönlicher Assistent im Staatssekretariat.«
Katerina schüttelte Ambrosi die Hand. Valendrea bemerkte, dass Ambrosis Augen weicher wurden, ein beruhigender Blick für den Gast. Paolo wusste genau, wie man mit einer solchen Situation umging.
»Wir müssen mit Ihnen über eine wichtige Angelegenheit sprechen, bei der Sie uns hoffentlich behilflich sein können«, erklärte Valendrea.
»Ich verstehe nicht, wie ich einem Mann von Ihrer Bedeutung behilflich sein könnte, Eminenz. «
»Sie haben heute Vormittag die Verhandlung besucht. Gehe ich recht in der Annahme, dass Father Kealy um Ihre Anwesenheit gebeten hat?«
»Geht es darum? Haben Sie Angst vor negativen Schlagzeilen?«
Er lächelte entschuldigend. »Angesichts der versammelten Journalistenschar können Sie versichert sein, dass es mir hie r n icht um nachteilige Presse geht. Father Kealys Schicksal ist besiegelt. Das werden Sie so gut wissen wie er selbst und die Medienvertreter. Hier geht es um etwas weit Wichtigeres als einen einzelnen Häretiker. «
»Ist das zitierfähig?«
Er gestattete sich ein Lächeln. »Immer ganz die Journalistin. Nein, Ms. Lew, das hier ist keine offizielle Äußerung. Sind Sie dennoch interessiert?«
Er wartete ab und ließ ihr Zeit zu überlegen. Dies hier war der Moment, wo ihr Ehrgeiz die Vernunft besiegen musste.
»Nun gut«, sagte sie. »Also vertraulich. Schießen Sie los.«
Das lief ja bestens. So weit, so gut. »Es geht um Colin Michener. «
Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung.
»Ja. Ich weiß von Ihrer früheren Beziehung mit dem jetzigen Privatsekretär des Papstes. Für einen Geistlichen von seiner Bedeutung ist das eine ziemlich schwerwiegende Sache.«
»Das ist eine Ewigkeit her.«
Ihrer Stimme hörte man an, dass sie sich in der Defensive fühlte. In diesem Moment wurde ihr vielleicht klar, warum er ihr die Zusicherung der Vertraulichkeit so bereitwillig geglaubt hatte – und dass es
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