Urbi et Orbi
Ein lukratives Angebot. Dabei war die Aufgabe kinderleicht. Er forderte sie nicht zum Stehlen, Lügen oder Betrügen auf. Sie sollte einfach nur in ihre Heimat fahren und ein paar Tage lang einen alten Freund im Auge behalten.
»Ich muss darüber nachdenken«, sagte sie schließlich.
Wieder zog er an seiner Zigarre. »Ich würde mir nicht zu viel Zeit lassen. Das Ganze wird schnell über die Bühne gehen. Ich rufe Sie morgen im Hotel an, sagen wir um vierzehn Uhr, und erwarte dann Ihre Antwort. «
»Falls ich mitmache, wie erhalten Sie dann meinen Bericht?«
Er deutete auf Ambrosi. »Mein Assistent wird Kontakt mit Ihnen aufnehmen. Versuchen Sie auf keinen Fall, mich anzurufen. Verstanden? Er wird Sie finden.«
Ambrosi faltete die Hände vor seiner schwarzen Soutane, und Valendrea gestattete ihm diesen Moment der Selbstzufriedenheit. Katerina Lew sollte ruhig wissen, dass sie besser daran tat, den Priester nicht herauszufordern, und Ambrosi brachte das mit seiner Haltung sehr gut zum Ausdruck. Diese Eigenschaft Paolos hatte ihm immer sehr gefallen. Öffentlich trat er zurückhaltend auf, doch wer näher mit ihm zu tun hatte, vergaß ihn nicht so schnell.
Valendrea holte einen Umschlag unter seinem Sitz hervor und reichte ihn seinem Gast. »Zehntausend Euro für die Spesen, Flug, Hotel und so weiter. Falls Sie sich entschließen, mir zu helfen, sollen Sie die Reise natürlich nicht selbst finanzieren. Falls Sie ablehnen, können Sie das Geld trotzdem behalten. Für die Ungelegenheiten. «
Er griff an ihr vorbei und öffnete die Tür. »Hat mich gefreut, mit Ihnen zu reden, Ms. Lew.«
Sie schlüpfte aus dem Wagen, den Umschlag in der Hand. Er spähte in die Nacht hinaus und sagte: »Ihr Hotel liegt dort hinten links an der Via . Guten Abend.«
Sie erwiderte nichts und ging davon. Er zog die Tür zu und flüsterte: »Vollkommen vorhersagbar. Sie will uns zappeln lassen. Aber es ist ganz klar, was sie tun wird.«
»Es war fast schon zu einfach«, gab Ambrosi zurück.
»Genau deshalb möchte ich, dass Sie nach Rumänien reisen. Diese Frau wird sich weit risiko- und müheloser beobachten lassen als Michener. Ich habe eine der Firmen auf unserer Spenderliste gebeten, uns einen Privatjet zur Verfügung zu stellen. Brechen Sie morgen früh auf. Wir kennen Micheners Bestimmungsort schon, daher sollten Sie vor ihm dort eintreffen und auf ihn warten. Er dürfte morgen Abend ankommen oder spätestens übermorgen. Verhalten Sie sich unauffällig, behalten Sie die Dame aber im Auge, und machen Sie ihr klar, dass wir für unsere Investition etwas sehen wollen.«
Ambrosi nickte.
Der Fahrer kam zurück und setzte sich wieder hinters Steuer. Ambrosi klopfte an die Trennscheibe, und der Wagen fuhr rückwärts auf die Via hinaus.
Valendrea wandte seine Gedanken angenehmeren Dingen zu.
»Nachdem wir diese Intrige jetzt erfolgreich in die Gänge geleitet haben, vielleicht einen Kognak und ein paar Takte Tschaikowski vor dem Schlafengehen? Was meinen Sie, Paolo?«
9
23.50 Uhr
K aterina wälzte sich von Father Tom Kealy herunter und entspannte sich. Er hatte sie oben in seinem Zimmer erwartet und ihren Bericht über die unerwartete Begegnung mit Kardinal Valendrea angehört.
»Es war schön, Katerina«, sagte Kealy. »Wie immer. «
Sie betrachtete die Konturen seines Gesichts, auf das goldenes Licht durch die halb zugezogenen Vorhänge fiel.
»Morgens nimmt man mir meinen Priesterkragen, und abends liege ich nackt mit einer Frau im Bett. Und dann noch mit einer so schönen Frau.«
»Das nimmt der Sache die Schärfe. «
Er kicherte. »So könnte man es ausdrücken. «
Kealy wusste von ihrer Beziehung mit Colin Michener. Es hatte ihr damals gut getan, ihr Herz jemandem auszuschütten, der das alles vielleicht verstehen würde. Sie hatte den Kontakt angebahnt und war mit der Bitte um ein Interview in Kealys Gemeinde in Virginia eingetrudelt. Damals lebte sie in den Staaten und schrieb freiberuflich für einige Zeitschriften, die sich für radikale religiöse Tendenzen interessierten. Sie hatte halbwegs genug verdient, zumindest hatte sie davon leben können, aber sie hatte gehofft, mit Kealys Story vielleicht groß rauszukommen.
Hier hatte sie einen Priester, der gegen die Kirche zu Feld zog, und dabei ging es um ein Thema, das den Katholiken in der westlichen Welt am Herzen lag. Die North American Church bemühte sich verzweifelt, ihre Mitglieder bei der Stange zu halten. Skandale um pädophile Priester und
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