Urbi et Orbi
Kindesmissbrauch hatten das Ansehen der Kirche ruiniert, und die nachlässige Reaktion in Rom hatte die ohnehin schon schwierige Lage zusätzlich verschärft. Das Verbot von Homosexualität und Empfängnisverhütung sowie das starre Festhalten der Kirche am Zölibat verstärkten die allgemeine Desillusionierung noch.
Kealy hatte Katerina damals gleich am ersten Tag zum Essen eingeladen, und kurz darauf landete sie auch in seinem Bett. Es machte Spaß mit Kealy, er war ein interessanter Partner, sowohl körperlich als auch intellektuell. Seine Geliebte, die den Anlass für den ganzen Aufruhr geliefert hatte, hatte ihm vor einem Jahr den Laufpass gegeben. Irgendwann hatte sie das öffentliche Interesse satt gehabt und wollte nicht länger im Mittelpunkt einer so genannten religiösen Revolution stehen. Katerina hatte nicht ihren Platz eingenommen und sich lieber im Hintergrund gehalten. Sie hatte jedoch stundenlange Interviews mit Kealy geführt und hoffte, damit eine ausgezeichnete Arbeitsgrundlage für ein Buch zu haben. Der Zölibat vor Gericht lautete der Arbeitstitel ihres Buches, in welchem sie gegen den Zölibat polemisierte, den die Kirche laut Kealy so sehr brauchte › wie ein Keiler Titten ‹ . Kealys Exkommunikation – der Todesstoß, den die Kirche ihm versetzt hatte – würde die PR-Grundlage für die Vermarktung des Buches liefern. Ein Priester wird wegen Unstimmigkeiten mit Rom des Amtes enthoben. Argumente für einen modernen Klerus. Neu konnte man diese Strategie nicht gerade nennen, aber Kealy hatte eine unverbrauchte, freche, volkstümliche Stimme zu bieten. Bei CNN war er sogar als Kommentator für das nächste Konklave im Gespräch, ein Insider, der ein Gegengewicht zu den üblichen konservativen Meinungen bilden könnte, die sich traditionell bei der Papstwahl zu Wort meldeten. Alles in allem war ihre Beziehung zum beiderseitige n V orteil gewesen. Aber nun hatte sich durch die Begegnung mit dem Kardinalstaatssekretär einiges geändert.
»Was hältst du von Valendrea? Und von seinem Angebot?«, fragte sie.
»Er ist ein aufgeblasener Trottel, der durchaus der nächste Papst werden könnte.«
Dieselbe Einschätzung hatte sie schon von anderen gehört, was Valendreas Angebot umso interessanter machte. »Er interessiert sich für alles, was Colin tut.«
Kealy wälzte sich auf die Seite und sah sie an. »Ich selbst ehrlich gesagt auch. Was hat der Privatsekretär des Papstes nur in Rumänien zu suchen?«
»Als wenn es dort nichts Interessantes gäbe!«
»Na na, empfindlich sind wir überhaupt nicht, hm?«
Katerina hielt sich nicht für eine Patriotin, war aber stolz darauf, Rumänin zu sein. Ihre Eltern waren mit ihr geflohen, als sie ein Teenager war, aber später war Katerina zurückgekehrt und hatte bei Ceau º escus Sturz mitgeholfen. Damals, als der Diktator seine letzte Rede vom Balkon des Gebäudes des Zentralkomitees in Bukarest hielt, war sie dabei gewesen. Aus der von oben angeordneten Arbeiterdemonstration für die kommunistische Regierung war damals ein offener Aufstand geworden. Auf dem Platz war die Hölle losgebrochen, und die Schreie hallten bis heute in Katerinas Ohren nach. Die Polizei war mit Waffengewalt eingeschritten, während aus den Lautsprechern der zuvor aufgenommene Beifall ertönte.
»Ich weiß, dass du das nur schwer glauben kannst«, erklärte sie. »Aber ein echter Aufstand hat nichts mit Make-up für die Kamera zu tun, nichts mit provokativen Erklärungen im Internet und schon gar nichts damit, dass man eine Frau im Bett hat. Revolution bedeutet Blutvergießen.«
»Die Zeiten haben sich geändert, Katerina.«
»Die Kirche lässt sich nicht so leicht ändern. «
»Hast du gesehen, wie viele Medienberichterstatter heute dort versammelt waren? Man wird auf der ganzen Welt von dieser Verhandlung berichten. Die Öffentlichkeit wird sich meines Falls annehmen.«
»Und was, wenn kein Hahn danach kräht? «
»Unsere Website wird täglich zwanzigtausend Mal angeklickt. Das ist eine Menge Aufmerksamkeit. Worte können eine mächtige Wirkung entfalten. «
»Gewehrkugeln auch. Ich war da, in diesen Tagen vor Weihnachten, als Rumänen starben, um den Diktator und seine Schlampe von Frau vor ein Hinrichtungskommando zu bringen.«
»Du hättest selbst auf ihn geschossen, wenn man dir Gelegenheit dazu gegeben hätte, stimmt ’ s?«
»Ohne eine Sekunde zu zögern. Die beiden haben mein Vaterland zugrunde gerichtet. Leidenschaft, Tom. Daraus macht man Revolutionen.
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