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Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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sie als Privatkapelle des Papstes errichtet worden. Elegante Pilaster unterteilten die Wände, deren Freskenschmuck Geschichten aus der Bibel erzählte. Links war das Leben Moses ’ dargestellt, rechts das Leben Christi. Der eine hatte Israel befreit, der andere die ganze Menschheit. Die Schöpfung an der Decke stellte das Schicksal der Menschheit dar, das mit einem unabwendbaren Sturz endete: Das Letzte Gericht über dem Altar war eine schreckliche Vision göttlichen Zorns, die Valendrea schon seit langem bewunderte.
    Neben dem Mittelgang erstreckten sich zwei Reihen erhöhter Sitztribünen. Namenskarten kennzeichneten die Sitzplätze nach der gültigen Rangordnung. Die Stühle hatten steile Rückenlehnen, und Valendrea fand die Aussicht, lange darauf sitzen zu müssen, nicht erfreulich. Vor jedem Stuhl stand ein Tischlein mit einem Stift, Notizpapier und einem einzigen Wahlzettel.
    Jeder Kardinal trat zu dem für ihn gekennzeichneten Platz. Bisher hatte noch keiner ein Wort gesagt. Der Chor hatte nicht aufgehört zu singen.
    Valendreas Blick fiel auf den Ofen. Er stand in einer abgelegenen Ecke auf einem Metallgestell, das ihn vom Mosaikboden abhob. Ein Ofenrohr mündete in einen Rauchfang, der aus einem der Fenster führte. Dort würde das berühmte Rauchsignal Erfolg oder Misslingen des Wahlgangs melden. Er hoffte, dass nicht zu viele Feuer in dem Ofen brennen würden. Je öfter gewählt wurde, desto kleiner wurde seine Chance.
    Ngovi stand vorn in der Kapelle, die Hände unter der Soutane gefaltet. Valendrea bemerkte den strengen Ausdruck im Gesicht des Afrikaners und hoffte, dass der Camerlengo den Moment genoss.
    » Extra omnes « , sagte Ngovi mit lauter Stimme. Alle hinaus.
    Chor, Hilfskräfte und Fernsehteams zogen sich zurück. Nur den Kardinälen, zweiunddreißig Priestern, Nonnen und Technikern war es gestattet, jetzt noch zu bleiben.
    Im Raum herrschte ein unbehagliches Schweigen, als zwei Überwachungstechniker den Mittelgang überprüften. Sie hatten dafür zu sorgen, dass die Kapelle frei von Abhörvorrichtungen war. Am Eisengitter blieben die beiden stehen und zeigten an, dass alles in Ordnung sei.
    Valendrea nickte, und die beiden zogen sich zurück. Dieses Ritual würde jeden Tag vor und nach den Wahlgängen wiederholt werden.
    Ngovi verließ den Altar und ging zwischen den versammelten Kardinälen durch den Mittelgang. Er passierte eine marmorne Zwischenwand und blieb vor einer bronzenen Flügeltür stehen, die jetzt von Helfern geschlossen wurde. Vollkommenes Schweigen legte sich über den Saal. Wo zuvor Musik und das Schlurfen von Schritten auf den Matten zu hören gewesen war, die den Mosaikboden schützten, herrschte jetz t t iefe Stille. Von draußen erklang das Geräusch eines Schlüssels, der ins Schloss gesteckt und umgedreht wurde.
    Ngovi überprüfte den Türgriff.
    Verschlossen.
    » Extra omnes « , rief er erneut.
    Keine Antwort. So sollte es auch sein. Dieses Schweigen war das Zeichen, dass das Konklave begonnen hatte. Valendrea wusste, dass die Tür draußen mit einem Bleisiegel versehen wurde, um symbolisch Abgeschlossenheit zu garantieren. Es gab noch einen zweiten Weg in die Sixtinische Kapelle – auf diesem würden die Kardinäle täglich zum Domus Sanctae Marthae gehen –, doch das Versiegeln der Tür kennzeichnete traditionell den Beginn des Wahlvorgangs.
    Ngovi kehrte zum Altar zurück, wandte sich zu den Kardinälen und sagte dasselbe, was Valendrea am selben Ort vor vierunddreißig Monaten aus dem Mund des damaligen Camerlengos gehört hatte:
    »Der Herr segne Sie. Lassen Sie uns beginnen.«
    40
    Medjugorje, Bosnien-Herzegowina
14.30 Uhr
     
    M ichener betrachtete das einstöckige, moosfarbene Steinhaus. Blattloser Wein umrankte einen Laubengang, und das einzig Fröhliche an dem Haus waren die verschnörkelten Holzarbeiten über den Fenstern. Im Garten schien ein Gemüsebeet gierig auf den Regen zu warten, der schon heranzog. In der Ferne ragten Berge empor.
    Sie hatten sich zweimal nach dem Weg erkundigen müssen, bevor sie das Haus fanden. Beide Male hatten die Angesprochenen mit ihrer Antwort gezögert, bis Michener deutlich machte, dass er Priester war und mit Jasna reden musste.
    Er führte Katerina zur Haustür und klopfte.
    Eine hochgewachsene Frau mit hellbraunem Teint und dunklem Haar öffnete. Sie war sehr schlank, hatte ein sympathisches Gesicht und warme, haselnussbraune Augen. Sie betrachtete Michener so lange und aufmerksam, dass er sich unwohl zu fühlen

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