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Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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Brust. »Könntest du dich denn daran gewöhnen?«
    »Das habe ich mich auch gerade gefragt.«
    »Ich möchte diesmal nicht wieder weg von dir, Colin.«
    Er küsste sie auf den Scheitel. »Wer hat denn behauptet, dass du das sollst?«
    »Ich möchte mit dir nach Bosnien fliegen.«
    »Was ist denn mit deinem Auftrag?«
    »Das war gelogen. Ich habe gar keinen. Ich bin deinetwegen in Rom.«
    Er zögerte keine Sekunde lang: »Dann würde ein Urlaub in Bosnien vielleicht uns beiden gut tun.«
    Er war aus der öffentlichen Welt des Apostolischen Palasts in ein Reich übergewechselt, wo es nur noch ihn gab. Clemens XV. lag von einem dreifachen Sarg umschlossen unter dem Petersdom, und er selbst lag mit einer Frau, die er liebte, nackt im Bett.
    Wohin das alles führen würde, wusste er nicht.
    Er wusste nur, dass er endlich zufrieden war.
    38
    Medjugorje, Bosnien-Herzegowina
Dienstag, 28. November
13.00 Uhr
     
    M ichener sah aus dem Busfenster. Die felsige Küste flog draußen vorbei, das Adriatische Meer war stürmisch und aufgewühlt. Er und Katerina hatten einen Kurzflug nach Split genommen. An den Ausgängen des Flughafens hatten schon Touristenbusse gewartet, deren Fahrer freie Plätze nach Medjugorje ausriefen. Einer der Männer erklärte, jetzt sei Nebensaison. Im Sommer kämen drei- bis fünftausend Pilger täglich, aber von November bis März wären es nur noch ein paar hundert pro Tag.
    In den letzten beiden Stunden hatte eine Führerin den etwa fünfzig Buspassagieren erklärt, dass Medjugorje im südlichen Teil der Herzegowina in der Nähe der Küste liege und ein Gebirgszug im Norden die Region sowohl klimatisch als auch politisch isoliere. Der Name Medjugorje bedeute »Land zwischen den Bergen«. Die Bevölkerung bestehe mehrheitlich aus Kroaten und sei sehr katholisch. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Systems Anfang der Neunzigerjahre hatten die Kroaten sofort nach Unabhängigkeit gestrebt, doch die Serben – die mächtigste Volksgruppe im ehemaligen Jugoslawien – hatten ein Großserbien gründen wollen und Bosnien angegriffen. Jahrelang tobte ein blutiger Bürgerkrieg. Zweihunderttausend Menschen kamen ums Leben, bevor endlich die internationale Gemeinschaft dem Genozid Einhalt gebot. Ein Anschlusskrieg zwischen Kroaten und Moslems endete, als UN-Friedenstruppen eintrafen.
    Medjugorje selbst war von Kriegshandlungen verschont geblieben. Die meisten Kämpfe hatten weiter im Norden und Westen stattgefunden. In dem Städtchen wohnten nur etwa fünfhundert Familien, doch die riesige Kirche der Gemeinde bot Raum für zweitausend Gläubige, und die Führerin erklärte, dass eine Infrastruktur von Hotels, Gästehäusern, Essensverkäufern und Souvenirläden den Ort mehr und mehr in ein katholisches Mekka verwandelte. Bisher waren zwanzig Millionen Pilger aus aller Welt hier gewesen. Insgesamt habe es bisher an die zweitausend Erscheinungen gegeben, was in der Geschichte der Marienvisionen unerhört sei.
    »Glaubst du auch nur ein Wort davon?«, flüsterte Katerina Michener zu. »Ich finde das ein bisschen weit hergeholt, dass die Madonna jeden Tag zur Erde herabsteigt, um sich mit einer Frau in einem bosnischen Dorf zu unterhalten.«
    »Die Seher glauben daran, und Clemens tat es auch. Versuche doch, unvoreingenommen an die Sache heranzugehen, okay?«
    »Ich werde mich bemühen. Aber an welchen Seher wenden wir uns denn?«
    Diese Frage hatte er sich auch schon gestellt. Daher erkundigte er sich bei der Führerin nach näheren Einzelheiten und erfuhr, dass eine der Frauen inzwischen fünfunddreißig war, geheiratet hatte und mit Mann und Sohn in Italien lebte. Eine andere Frau war sechsunddreißig, ebenfalls verheiratet, hatte drei Kinder und wohnte noch immer in Medjugorje. Sie lebte aber sehr zurückgezogen und empfing nur äußerst selten Pilger. Einer der Männer, inzwischen Anfang dreißig, hatte versucht, Priester zu werden, war aber zweimal im Examen gescheitert und hoffte noch immer, eines Tages die Priesterweihe zu erlangen. Er war ständig auf Reisen und verkündete die Botschaft von Medjugorje in der ganzen Welt. Daher traf ma n i hn selten an. Der letzte Mann, der jüngste der sechs Kinder von damals, war verheiratet, hatte zwei Kinder und redete selten mit Besuchern. Eine weitere Frau, inzwischen beinahe vierzig, war verheiratet und lebte nicht mehr in Bosnien. Dann blieb noch die letzte Frau, nämlich diejenige, die bis heute Marienerscheinungen hatte. Sie hieß Jasna, war

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