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Urbi et Orbi

Urbi et Orbi

Titel: Urbi et Orbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: berry
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begann. Die Frau war um die dreißig, und um ihren Hals hing ein Rosenkranz.
    »Ich muss in die Kirche und habe jetzt wirklich keine Zeit für ein Gespräch«, sagte sie. »Wir können uns aber gerne nach dem Gottesdienst unterhalten.« Sie sprach Englisch.
    »Wir sind aus einem anderen Grund hier, als Sie meinen«, erklärte er. Er berichtete, wer er war und warum er sie aufsuchte.
    Sie zeigte keinerlei Reaktion, so als wäre es nichts Außergewöhnliches für sie, dass ein Gesandter des Vatikans vor ihrer Tür stand. Schließlich bat sie die beiden herein.
    Das Haus war sparsam und aufs Geratewohl möbliert. Durch ein halb geöffnetes Fenster fiel Sonnenlicht, einige Scheiben hatten lange Risse. Flackernde Kerzen standen um ein Marienbild, das über dem Kamin hing. In einer Ecke gab es eine weitere Statue der Jungfrau. Die Holzmadonna trug ein graues, hellblau umsäumtes Kleid. Ein weißer Schleier verhüllte ihr Gesicht und betonte das dunkelbraune Lockenhaar. Die blauen Augen blickten ausdrucksvoll und herzlich. Unsere Liebe Frau von Fatima, wenn er sich nicht irrte.
    »Warum Fatima?«, fragte er, auf die Statue deutend.
    »Ein Pilger hat sie mir geschenkt. Sie gefällt mir. Sie wirkt so lebendig.«
    Michener bemerkte, dass Jasnas rechtes Augenlid leicht zitterte, doch ihr Gesichtsausdruck und der Ton ihrer Stimme waren seltsam ausdruckslos. Er fragte sich, was sie vorhatte.
    »Sie haben Ihren Glauben verloren, nicht wahr?«, fragte sie leise.
    Diese Bemerkung überrumpelte ihn. »Was spielt das für eine Rolle?«
    Sie sah nachdrücklich zu Katerina hinüber. »Sie verwirrt Sie.«
    »Warum sagen Sie das?«
    »Priester erscheinen hier selten in Begleitung von Frauen. Dazu noch ein Priester ohne Priesterkragen.«
    Er hatte nicht die Absicht, auf ihre Frage einzugehen. Sie standen noch immer, ihre Gastgeberin hatte sie nicht gebeten sich zu setzen. Die Sache fing schlecht an.
    Jasna wandte sich an Katerina. »Sie sind gänzlich ungläubig. Und zwar schon seit vielen Jahren. Wie sehr das Ihre Seele quälen muss.«
    »Sollen wir jetzt von Ihrer Hellsicht beeindruckt sein? « F alls Jasnas Bemerkung Katerina getroffen hatte, würde diese es sich offensichtlich nicht anmerken lassen.
    »Für Sie«, fuhr Jasna fort, »besteht die Realität nur aus dem, was Sie anfassen können. Aber es gibt noch so viel mehr. So vieles, was Sie sich gar nicht vorstellen können. Und obgleich es sich nicht anfassen lässt, ist es dennoch wahr.«
    »Wir sind im Auftrag des Papstes hier«, sagte Michener.
    »Clemens ist bei der Jungfrau.«
    »Das hoffe ich.«
    »Aber Sie erweisen ihm mit Ihrem Unglauben einen schlechten Dienst.«
    »Jasna, ich komme zu Ihnen, um von Ihnen das zehnte Geheimnis zu erfahren. Papst Clemens und der Camerleng o h aben mir beide eine schriftliche Anweisung mitgegeben, es zu enthüllen.«
    Sie wandte sich wieder an Michener. »Ich kenne es nicht, und ich möchte es auch nicht kennen lernen. Denn danach wird die Jungfrau nicht mehr zu mir kommen. Ihre Botschaften sind wichtig. Die Welt braucht sie.«
    Er kannte die täglichen Botschaften aus Medjugorje, die per Fax und E-Mail in die ganze Welt versandt wurden. Meistens waren es einfache Bitten um Glauben und den Weltfrieden, die durch Fasten und Gebete erreicht werden sollten. Gestern hatte er in der vatikanischen Bibliothek einige der jüngeren Botschaften nachgelesen. Es gab gebührenpflichtige Websites, die an den Himmelsbotschaften gut verdienten, was ihn an Jasnas Motiven zweifeln ließ. Doch angesichts ihres schlichten Zuhauses und der einfachen Kleidung strich sie offensichtlich persönlich keinen Gewinn ein. »Wir wissen, dass Sie das Geheimnis nicht kennen, aber können Sie uns sagen, von welchem der anderen Seher wir es erfahren können?«
    »Alle haben den Auftrag, das zehnte Geheimnis zu bewahren, bis die Jungfrau ihnen die Zunge löst.«
    »Würde die Autorität des Heiligen Vaters dazu nicht genügen?«
    »Der Heilige Vater ist tot.«
    Allmählich fing sie an, ihn zu nerven. »Warum machen Sie es so kompliziert?«
    »Diese Frage stellt auch der Himmel immer wieder.«
    Das klang ganz ähnlich wie Clemens ’ Lamento in den Wochen vor seinem Tod.
    »Ich habe für den Papst gebetet«, sagte sie. »Seine Seele braucht unser Gebet.«
    Er wollte sie gerade fragen, was sie damit meinte, als sie plötzlich vor die Statue in der Ecke huschte. Ihr Blick war i n d ie Ferne gerichtet, und sie kniete schweigend auf einem Betschemel.
    »Was macht sie?«, flüsterte

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