Urgum der Barbar

Die anderen Jungs traten schnell ein paar Schritte zurück, für den Fall dass die enorme Klinge plötzlich zum Einsatz kam, aber die Dechseid zuckte mit keiner Wimper.
    »Olk«, wiederholte sie nachdenklich. Ein Auge beobachtete immer noch den Wachtposten, das andere suchte auf den Seiten ihres Buches nach dem Namen. »Olk von Golgarth... ja, hier ist er ja. Einkommen null. Von dir werden wir nicht viel holen können, was? Also entspann dich, mein Großer, du hast nichts zu befürchten.«
    Ein tiefes Gurgeln ertönte tief in Olks Eingeweiden, die Spitze seines Schwertes sackte ein bisschen ab und lag dann ruhig. Die Jungs schnappten nach Luft. Hatten sie sich das eben nur eingebildet oder hatte Olk sich tatsächlich entspannt?
    »Danke Ihnen«, murmelte der riesige Wachtposten.
    »Sparen Sie sich Ihren Dank«, sagte die Dechseid. »Es ist unser Anliegen, fair zu sein. Wir nehmen nur, was uns zusteht.«
    Jetzt waren die Jungs wirklich aufgeregt. Sie hatten gerade tatsächlich gehört, wie Olk »Danke Ihnen« gesagt hat. Wer war diese komische Frau? Sie mussten es einfach wissen.
    »Papa!«, riefen sie. »Komm hier rüber, du wirst verlangt. JETZT!«
    An dem Punkt trat eine tadellos aussehende Divina aus der Höhle und war schon furchtbar aufgeregt darüber, dass sie sich gleich einer Person aus dem Palast zeigen konnte, als ihr auffiel, dass Urgum auf dem Boden lag und mit dem Rücken auf der Erde rieb.
    »Und was genau soll DAS werden?«, wollte sie wissen.
    »Da steckt ein Skorpion in meiner Weste und ich versuche, ihn zu zerdrücken«, sagte Urgum.
    »Dafür haben wir jetzt keine Zeit, du Riesenbaby«, schnauzte Divina ihn an und zog ihn auf die Beine. »Wir haben Besuch!«
    »Igitt!«, quiekte Urgum. »Ich glaube, jetzt ist er glatt runter in meine Hose gerutscht.«

    Urgum wollte gerade seinen Gürtel aufmachen, als Divina seine Hand beiseiteschlug. Schnell wischte sie den Dreck aus seinen Ohren und Bratensoßespritzer von seinem Kinn.
    »Hörauff!«, stöhnte Urgum.
    »Sie kommt aus dem Palast!«, zischte Divina. »Und es wäre echt nett, wenn du es schaffen würdest, wenigstens dieses eine Mal einen guten Eindruck zu hinterlassen. Wage es nicht, mich zu enttäuschen.«
    Urgum ging sehr langsam, um seinen achtbeinigen, doppelstacheligen, giftschwänzigen Eindringling nicht zu stören. Dann trat er an Olk vorbei und blickte zu der streng aussehenden Frau auf ihrem Pferd hoch. Urgum hatte zwar großen Respekt vor Dechseids, aber er mochte die Palastleute nicht, darum beschloss er, ein wirklich hartes, gemeines Gesicht zu machen. Das wirkte ein bisschen eigenartig, weil Divina neben ihm äußerst graziös lächelte und versuchte, die perfekte Gastgeberin zu sein.
    »Ich bin Urgum, der Sohn des Urgurt«, knurrte er. »Und wer sind Sie?«
    »Ich bin die oberste Prüferin der Steuerabteilung des Laplace-Palastes«, sagte die Dechseid.
    »Und...«, sagte Urgum und versuchte, nicht an das eklige Jucken zu denken, das er empfand, während etwas direkt unter seinem Gürtel den Bauch entlangkrabbelte.

    »Laut unseren Unterlagen bezieht in Ihrem Haushalt jemand ein Einkommen.«
    »Ich habe in meinem ganzen Leben noch kein Einkommen bezogen«, erklärte Urgum stolz. »Ich esse bloß und schlafe und kämpfe und singe gelegentlich viel zu laut unanständige Lieder, um meine Frau zu ärgern.«
    Divina versuchte, sich zu einem fröhlichen Lachen zu zwingen.
    »Ach, mein Mann ist ja so ein Scherzkeks.« Sie kicherte verzweifelt. »Sie dürfen ihm kein Wort glauben.«
    »Das tue ich nicht«, sagte die Dechseid knapp. Ein Auge zuckte von Divina zu Urgum, das andere blickte in ihr Buch. »Laut meinen Aufzeichnungen gibt es hier eine Rückforderung von Suprema, der Frau des Kanzlers, die einmal Blumenhalsketten von Ihnen gekauft hat.«
    »Schau ich aus, als würde ich Blumenketten verkaufen?«, bellte Urgum.
    Allein die Andeutung hatte ihn so wild gemacht, dass er angefangen hatte, zornig im Kreis zu stampfen. Er hatte seinen kleinen Besucher völlig vergessen, der jetzt ein bisschen Angst bekam, als er im Dunkeln herumgeschleudert wurde und sich darauf vorbereitete, mit seinem vergifteten Hinterteil zuzustechen.
    »Sie müssen doch wissen«, kreischte Urgum. »dass ich der wüsteste Wilde bin, den die Verlorene Wüste jemals …

    Der kleine Besucher hatte zugestochen. Urgum hinkte davon und schlug dabei gegen das Hinterteil seiner Hose, so fest er konnte, um den Skorpion zu zerquetschen, bevor der noch mal zustechen