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Urgum der Barbar

Urgum der Barbar

Titel: Urgum der Barbar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjartan Poskitt
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blickte sie nach unten.

    Ein langer, klebriger grauer Tentakel war den ganzen Weg vom Restauranteingang des Juppotan über den Sand auf sie zugekrochen. An einem Ende hatte der Ausläufer eine rosige Spitze mit feinen Tasthaaren, die über ihre Haut streichelten und ihren Geruch aufnahmen. Das Geräusch vom Eingang wurde wilder, und das ganze Ding fing an, vor Aufregung zu zittern.
    Sogar während sie ihn betrachtete, wurde der Tentakel dicker und stärker und tropfte immer mehr vor klebrigem Schleim. Sie sah in faszinierendem Staunen zu, als sich das Ende langsam und leise in die Luft erhob. Offenbar machte es sich bereit, sich um ihr Bein zu legen und sie mit sich direkt in den Verdauungstrakt der Pflanze zu ziehen. Das war so interessant, dass Molly ganz vergaß, wie schwer es Grizelda gefallen war, sich selbst aus dem ekligen grünen Schleim zu befreien. Eigentlich fiel es ihr erst wieder ein, als der Tentakel sich ein bisschen zurückzog und sich auf den Angriff vorbereitete. Schnell schnappte sie sich einen scharfkantigen Felsen und zermatschte die zarte rosige Spitze zu Brei. Der Tentakel schoss zurück, die gigantische Mund-Tür fiel zu, und die Häutchen machten ein Geräusch, das sich ganz verdächtig anhörte wie »Och, Manno«.
    »Tut mir leid, Pflanze«, murmelte Molly vor sich hin. »Ich scheine ständig deine Pläne zu ruinieren. Aber vielleicht kann ich’s eines Tages wiedergutmachen.«
    Sie hörte wieder die Stimme in der Ferne. »Molly!«
    »Hier!«, rief sie zurück.
    Eine große Gestalt kam schlurfend aus der Richtung der Kluft den Pfad entlang auf sie zu. Es war Robbin, der älteste ihrer Brüder, und er hatte eine Flasche Wasser mitgebracht und einige süße, krümelige, verbrannte Stückchen, die er auf dem Küchenboden gefunden hatte. (Es war schwer zu sagen, was die krümeligen, verbrannten Stückchen gewesen waren, ehe sie verbrannt waren, aber wen scherte das schon? Sobald sie mal verbrannt und knusprig waren, waren sie ausgesprochen lecker, und das war alles, was zählte.)

    »Wie läuft’s, Schwesterchen?«, fragte er, als er sich langsam neben ihr niederließ und ihr etwas zu trinken und von den Krümeln anbot.
    »Nicht besonders gut«, sagte Molly. »Keiner kommt vorbei. Ich brauche immer noch einen Bronze-Tanna, um die Steuern zu bezahlen, sonst kommen sie und beschlagnahmen alles, was uns gehört.«
    »Und was verkaufst du?«
    »Blumenbroschen und -ketten«, sagte Molly. »Ich kann sie aber auch auf Nadeln stecken und Ohrringe daraus machen.«
    Robbin nahm ein kleines Stückchen von den knusprigen Resten zwischen seinen dicken Daumen und seinen Zeigefinger und nagte es sorgfältig ab, während er sich Mollys Auslage ansah.
    Robbin ist immer sorgfältig , dachte Molly. Natürlich wäre es blöd von ihr gewesen zu vergessen, dass er auch ein wüster Barbar war und ein gnadenloser, blutdürstiger Wilder, aber wenn man es außerdem noch hinkriegte, sorgfältig zu sein, dann war das schon ziemlich cool. Molly beschloss, dass sie, wenn sie sich auch einmal zur wüstesten Barbarin entwickelt hatte, darauf achten würde, auch die sorgfältigste Barbarin aller Zeiten zu sein. Was bedeuten würde, dass sie dann die coolste Barbarin überhaupt war. Sogar Grizelda würde davon beeindruckt sein!
    »Wie hast du denn dieses hier gemacht?« Robbin deutete auf ein kleines rotes Stiefmütterchen, das äußerst geschickt in einem durchsichtigen gelblichen Stein gefangen war.
    »Ich habe ein bisschen Harz vom Opferbaum benutzt«, erklärte Molly. »Das ist wie Honig, der aus dem Holz rinnt. Ich habe einfach ein bisschen was auf die Blume geschmiert und sie in der Sonne liegen lassen, und es ist hart genug geworden, um einen netten Anstecker daraus zu machen. Er ist hübsch geworden, oder?«
    »Wie viel kostet er?«, fragte Robbin.
    »Einen Bronze-Tanna«, sagte Molly. »Alles kostet so viel. Ich brauche nur einen Bronze-Tanna.«
    »Dann nehme ich den«, sagte Robbin und streckte seine Hand aus. Darin lag ein bronzener Tanna.
    Molly keuchte. »Wo hast du den denn her?«
    »Ich habe ihn gefunden, als ich ein Baby war«, sagte Robbin. »Und seitdem habe ich ihn heimlich aufgehoben.«
    »Du musst ihn mir nicht geben, Robbin«, rief Molly. »Wenn du den Anstecker willst, kannst du ihn auch so haben. Spar dein Geld für etwas, was dir wirklich gefällt.«
    »Er gefällt mir wirklich«, sagte Robbin schlicht. »Außerdem sagt Dad doch immer, dämliche Blümchen sind genau das, was die harten Jungs heutzutage

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