Urlaub fuer rote Engel
Bindfäden. Im Garten
des »steinreichen«, wie Emmerlich aussehenden Hausbesitzers liegt kein einziger Pflasterstein der Paletten mehr herum. Er
hat sie eigenhändig zu Tausenden in den Hof gekarrt. »Im Juni werde ich 60. Und meine Frau hat gesagt, wenn bis dahin der
Hof nicht gepflastert ist, laden wir keine Gäste ein. Außerdem, wer hier nichts selbst macht und ehrlich bleiben will, kommt
zu nichts.« Im REWE hole ich mir als Wegzehrung noch einen Taleggio-Käse.
Dem freundlichen jungen Verkäufer sage ich, dass ich »endlich einen Millionär habe«. Er hat noch keinen. Wegen des auf dem
Kassenbon stehenden »Es bediente Sie Herr Röder (jun.)« frage ich spaßeshalber, ob sein alterHerr, der Röder Senior, auch bedient. Nein, der sei der Besitzer des Ladens, sagt der Junge verlegen. So etwas erzähle man
aber in Radebeul besser nicht. »Sonst denkt doch jeder gleich, dass man im Geld schwimmt. So sind die Leute hier inzwischen.«
Käse mampfend, warte ich an der Straßenbahnhaltestelle. Die Meißner Straße hat seit einem Jahr einen neuen Teerbelag. Aber
der ist wie schlecht haftender Zuckerguss auf einem Kuchen aufgetragen. Wellig und freie Flecken bis zur Straßenkante. Jeder
LKW spritzt Fontänen von Dreckwasser. Zwei Alte neben mir schimpfen über diese »arme Stadt, die nicht mal die Hauptstraße,
geschweige denn die Nebenstraßen … Aber Hauptsache, die da oben …«
Bevor ich die lange Stiege zur »Wettinhöhe« hinaufsteige – der Schlossbesitzer hatte mir gesagt, dass er das sonst immer verschlossene
Eingangsportal extra für mich öffnen werde –, hält im Regen vor mir ein Mercedes. Ob ich derjenige sei, der hoch zum Schloss
möchte … Er hätte sich gedacht, bei dem Wetter … Der Mann sieht in seiner Trachtenjacke und mit der hohen Stirn ein wenig
wie Edmund Stoiber aus. Ist aber nicht unsympathisch. Und stammt, erzählt er mir sofort, aus dem Münsterland. »Adolf Schütte.
63. Von Beruf Landwirt. Aber hier lebe ich vom Kauf, der Renovierung und der Vermietung von Wohnungen.« Oben auf dem Hügel
der Wettinhöhe gehören ihm das Schloss, dazu zwei andere Gebäude und der 24 Hektar große Park.
Die heutige Zufahrt zum Schloss war früher der Dienstboteneingang. »Den herrschaftlichen Stieg mit dem neobarocken Eingangsportal
– ich musste es für45.000 DM restaurieren lassen – habe ich noch nie genutzt.« Bevor ich das Innere des Hauses – Intarsienparkett, alte Fliesenornamente,
prächtige Kronleuchter, Gemälde, wertvolles Meißner Porzellan – bewundern kann, geht er mit mir in die von Säulen gezierte
Veranda. Ein weiter Blick bis in die Sächsische Schweiz. Danach ein langes Gespräch. Er hat sich Zeit genommen. Er hat Zeit,
will nicht mehr hetzen. »Allerdings, wer mit alten Häusern und jungen Weibern zu tun hat, kommt nie zur Ruhe.«
Seine lachende, fürsorglich immerzu Saft nachschenkende Frau ist 35. Zur Zeit wegen der zwei kleinen Kinder zu Hause. Aber
danach will sie wieder als Lehrerin arbeiten. Wenigstens halbtags. »Nicht wegen des Geldes, aber …«
Adolf Schütte erzählt mir seine Geschichte, wie man Millionär wird. Sie klingt fast wie die vom Tellerwäscher. Mit 19 geht
er weg von zu Hause, von Vaters 8 Hektar Landwirtschaft. Sie sind 7 Kinder. Alle mussten melken, ausmisten.
In der Fremde verkauft er dann im Ruhrgebiet frische Eier aus dem Emsland frei Haus. 10.000 Stück in der Woche. Treppauf,
treppab laufend. Fünf Pfennig pro Ei hat er Gewinn. Das macht er einige Jahre. Bis das Geld reicht, um sich selber Legehennen
zu kaufen. Mit 1.000 angefangen, schließlich 120.000 in Käfigen. Dazu eine Weizenfarm in Kanada. Aber plötzlich sei alles
zu Ende gewesen. Scheidung. »Da nahm niemand mehr in unserem kleinen katholischen Dorf ein Ei von mir.« Er verkauft Villa,
Hennen und Farm und geht in den Osten.
Zuerst handelt er dort mit Autos und Futtermitteln.Danach kauft er alte Häuser, lernte seine junge Frau kennen, wohnte mir ihr in »solch einer DDR-Neubau legehennenbatterie «. Inzwischen besitzt er rund 50 Wohnungen in Radebeul, in Coswig und Dresden-Neustadt. Und er achtet streng auf Disziplin
und Ordnung, darauf, dass man pünktlich die Miete zahlt. (»Auch die, die nicht so vermögend sind.«) Mal mit Drohung und mal
mit Blumenstrauß. »Diejenigen, die im Dresdner Mietshaus monatlich zuerst das Geld überwiesen, bekamen von mir einen Blumenstrauß.
Bis ich merkte, dass immer diejenigen die Ersten waren,
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