Urlaub mit Papa
aus mir raus. Unsortiert redete ich los: Johann, der beste Mann, den ich je gesehen hatte, seine Wimpern, Gisberts Handy, die Liebesnacht, seine Augen, Bremen, Gesa und die alte Dame im Hotel, Hubert, der jetzt auch mitmachte, Marleen, die dagegen war, Kalli beim Observieren, der Streit, Mechthild und Hannelore, die die Lockvögel spielten, mein gebrochenes Herz, mein Vater, der mir Kaffee brachte und für einen Moment sogar die Betten tauschen wollte.
Als ich schließlich nach Luft rang, fiel mir beschämt mein Alter ein. Ich hätte meiner frisch operierten Mutter auch einfach meine schönsten Ferienerlebnisse erzählen können. Meine Nase war verstopft, ein Taschentuch hatte ich nicht, die Geräusche, die ich beim Atmen machte, waren mir selbst peinlich.
»Kind, hast du kein Taschentuch?«
»Doch, gleich.« Der Versuch, einhändig meine Handtasche zu öffnen und nach den Tempos zu kramen, gab mir Zeit, wieder erwachsen zu werden.
»Entschuldigung, ich habe schlecht geschlafen.«
Meine Mutter ging nicht weiter darauf ein. »Ich weiß gar nicht, wieso ihr da so ein Chaos veranstaltet. Es gibt doch nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist dieser Thiess ein Verbrecher, dann ist das Sache der Polizei, aber Papa und seine Truppe kommen in die Zeitung. Ist alles nur heiße Luft, kannst du dich in Ruhe verlieben, dann müssen die Männer sich aber bei ihm entschuldigen. Wo ist das Problem?«
Ich hasse Pragmatismus in falschen Momenten.
»Mama, das kann man doch nicht so…«
»Außerdem seid ihr da, um Marleen zu helfen. Ihr müsst doch heute fertig werden, morgen ist Eröffnung. Als wenn ihr da Zeit hättet, Emil und die Detektive zu spielen.«
»Ich spiele ja nicht mit.«
»Du solltest auf deinen Vater achten. Ich finde sowieso, dass er zu viel Fernsehen guckt, er kriegt immer so schnell kriminelle Fantasien. Das weißt du doch. Also, jetzt reiß dich zusammen, es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Ich glaube außerdem nicht, dass sich meine Tochter in einen Schwindler verliebt, so haben wir dich jedenfalls nicht erzogen.«
Sie machte eine Pause. Ich versuchte, mir einen Satz auszudenken, der dem ganzen Thema den Ernst nahm, bevor er mir einfiel, hatte meine Mutter ihn schon:
»Aber wenn ich richtig darüber nachdenke, ist das ja alles Quatsch. Christine, du bist 45.Frag den jungen Mann doch einfach, wenn du irgendwas nicht verstehst und lass dir nicht von einem Haufen Rentner Flöhe ins Ohr setzen.«
»Mama, ich…«
»Und lass diesen weinerlichen Ton. Geh rüber und arbeite, sonst wird das nichts mit eurer Eröffnung morgen. Und pass auf deinen Vater und Kalli auf, nicht dass die noch Ärger kriegen.«
Ich putzte mir die Nase und versprach es ihr. Sie hatte ja recht.
Als ich in den Frühstücksraum kam, hatte Gesa schon die ganze Arbeit gemacht. Ich wollte mich entschuldigen, sie legte mir nur mit mitleidigem Gesicht die Hand auf den Arm und sagte:
»Ich war heute so früh wach. Geh du mal frühstücken, in der Kneipe ist nachher noch genug zu tun.«
Etwas verdutzt setzte ich mich an unseren Tisch. Mein Vater war schon weg, vor meinem Teller stand ein Schnapsglas mit vier Gänseblümchen. Vom Nebentisch sahen die Zwillinge neugierig zu mir rüber.
»Hast du Geburtstag?«, fragte Emily.
»Nein.« Ich schob das Schnapsglas ein Stück zur Seite. »Sind die Blumen von euch?«
Lena schüttelte den Kopf. »Die hat dein Papa da hingestellt. Hast du wirklich nicht Geburtstag?«
»Wirklich nicht. Und das war Heinz?«
»Ja.« Emily nickte mit Nachdruck. »Dann ist das vielleicht nur so. Ich will auch so was.«
»Ich sag es ihm.«
Während ich ein Brötchen belegte, kam Dorothea mit Nils in den Raum.
»Guten Morgen, Christine. Ich brauche ganz dringend einen Kaffee. Drüben werden die Möbel gerade ausgeladen. Nils hat den Plan an den Tresen geklebt, darauf steht genau, wo was hin soll, wir können also in Ruhe frühstücken.« Dorothea griff zur Kanne, noch bevor sie saß. »Och, wie süß. Heimlicher Verehrer? Oder immer noch der alte?«
»Dorothea!« Nils hatte denselben Ton wie meine Mutter. »Morgen, Christine, dürfen wir?«
Ich machte nur eine einladende Handbewegung, ich hatte bereits abgebissen.
»Danke.« Er setzte sich mir gegenüber und sah mich aufmerksam an. »Und? Gut geschlafen?«
»Ja, wieso?«
Die Antwort kam zögernd. »Na ja… es geht dir ja nicht so gut… und überhaupt…«
Ich musterte ihn, er wich meinem Blick aus. Dorothea hob die Schultern. »Dein Vater hat
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