Urlaub mit Papa
immerhin gleich zwei Stühle mit. Kalli, der die Bierkiste anschleppte, dankte ihm.
Mein Vater kam in Begleitung von Gesa, die das Tablett mit Gläsern, und Hubert, der die Wasserflaschen trug, zurück. Er setzte sich zu mir in den Strandkorb und warf Gesa einen auffordernden Blick zu. »Jetzt brauchen wir noch ein paar Klappstühle. Wo ist denn Carsten? Quatscht er Dorothea wieder voll?«
»Sie kommen gleich.« Gesa verteilte die Gläser, dann holte sie Stühle.
»Ich habe sie auf dem Deich gesehen. Guck, da sind sie schon.«
»N’Abend.« Carsten klopfte auf den Tisch und setzte sich. »Nils, hol doch mal die Bank aus der Kneipe, das sieht nicht gut aus mit den ganzen Klappstühlen. Du bist doch sonst so eigen mit Möbeln. Dorothea, du kannst dich neben mich setzen. Kalli kann Nils helfen.«
Ich hatte das Bedürfnis, allein zu sein. Irgendwo am Strand zu sitzen, eine Zigarette zu rauchen, aufs Meer zu schauen und an unerfüllte Lieben zu denken.
In diesem Moment sprang mein Vater auf und brachte den Strandkorb zum Wanken.
»Können wir jetzt anfangen? Wir machen doch hier kein fröhliches Grillfest.«
»Genau.« Gisbert sah zu meinem Vater auf. »Wir haben eine Mission.«
Kalli öffnete die Bierflaschen und gab sie weiter.
»Wo sind denn Frau Klüppersberg und Frau Weidemann-Zapek?«
»Kalli.« Dorothea hatte den Ernst der Lage immer noch nicht erkannt. »Du hast es doch gehört, wir machen hier kein fröhliches Grillfest.«
Kalli wurde rot. »Aber so meinte… die wollten doch… möchte noch jemand ein Bier?«
Gisbert von Meyer räusperte sich und stand auf. Er strich einen Zettel glatt und sah sich um. »So, wir sind vollzählig. Ich möchte…«
»
Jetzt
sind wir vollzählig.« Onno war plötzlich da und guckte Gisbert ärgerlich an, bevor er sich einen Stuhl neben den Strandkorb stellte. Er beugte sich zu mir.
»Der Wichtigtuer geht mir auf den Geist. Immer vergisst er mich.«
Ich war erstaunt. Der stille Onno rebellierte.
Gisbert ignorierte Onno weiterhin und fing an:
»Ihr Lieben. Ich möchte euch zunächst meinen Artikel vorlesen, der morgen im ›Inselkurier‹ erscheint. Aufgepasst: ›Wie wir aus verlässlicher Quelle erfahren konnten, wurde eine große Gefahr von den Inselbewohnern und ihren Gästen, vor allen Dingen den weiblichen, abgewendet. Mit nie vorher gekanntem Einsatz gelang es einem tapferen Heer mutiger Männer einen von Interpol gesuchten Heiratsschwindler dingfest zu machen. Durch tagelange Recherche und lebensgefährliche Observierungen gelang es den Rettern, einen mit allen Wassern gewaschenen Verbrecher in die Enge zu treiben. Schon am heutigen Tag wird dieses Subjekt Norderney verlassen. Die Polizei, die mit den alltäglichen Delikten auf unserer Urlaubsinsel ausgelastet scheint, wird froh sein über die Tatkraft dieser beherzten Bürgerwehr, die sich so selbstlos gegründet hat. Weitere Informationen über den Verlauf der Festnahme und die Details der Spurensuche folgen morgen an gleicher Stelle. GvM.‹« Er faltete das Blatt zusammen und setzte ein triumphierendes Lächeln auf. »Und?«
»Interpol?« Marleen verkniff sich das Lachen.
»Bürgerwehr?« Nils grinste offen.
Dorothea legte nach: »Lebensgefährliche Observierungen?«
Hubert verstand gar nichts. Er blickte von einem zum anderen und fragte schließlich:
»Könnte mich bitte mal jemand einweihen? Ich dachte, er wird noch gesucht? Und wieso verständigt man nicht die Polizei?«
»Die Polizei! Die wollen Beweise.« Gisbert wandte sich ihm zu. »Das hier ist investigativer Journalismus. So nimmt der Leser Anteil am Geschehen. Außerdem erhöht es die Auflage von übermorgen.«
»Ja, aber wo ist der Verbrecher denn jetzt?«
»In der ›Georgshöhe‹. Auf Beutefang.« Gisbert wirkte ungeduldig. »Morgen erwischen wir ihn. Mit Hilfe von Mechthild und Hannelore.«
Mein Vater machte ein Zeichen, damit Gisbert sich setzte. Es funktionierte.
»Gisbert, du erklärst das nicht gut. Also, Hubert, das ist so: Hier wohnt ein Gast, der mir gleich komisch vorkam. Er hatte irgendwie tückische Augen. Dann hat er meine Tochter angesprochen und…«
»Papa, das stimmt so nicht, ich…«
Er unterbrach mich. »Christine, lass mal. Hubert, sie steht noch ein bisschen unter Schock. Jedenfalls hat er danach Marleen belästigt…«
»Heinz, bitte! Erzähl doch keinen Blödsinn.«
Auch Marleens Beitrag wurde weggewischt, mein Vater fuhr fort: »Und er hat die Pension fotografiert. Er hat sich äußerst auffällig
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