Urmel im Vulkan
Stäben. Und das kam so: Als Gluto merkte, daß seine
Frühstücksschüssel fehlte, hatten ihm Solfatel und Mofettel gesagt, daß sie das
Urmel mitgenommen hätte.
»Nanu?« hatte er ahnungslos gefragt. »Will es sich den Magen
verderben und Lava futtern?«
Und ich hatte leichtsinnigerweise geantwortet: »Nein, mein
Lieber, es hat den Professor gewarnt, damit er die Insel verläßt!«
Und da hatte Gluto »Verrat, Verrat!« gebrüllt und war wild vor
Zorn und enttäuschter Liebe. Er zögerte nicht lange, er packte mich mit gar
nicht liebevoller Faust und steckte mich in den Käfig, und dann zögerte er auch
nicht länger mit seinem Vulkanausbruch, weil er hoffte, den Professor noch zu
erwischen. Und das war unser Glück. Denn wieder hatte er nicht lange genug
gewartet, bis er genug Feuerspucke, ich meine Lava, im Topf hatte — und deshalb
reichte es auch diesmal nicht bis hinüber zu unserem blühenden Paradies.
Da konnte ich eigentlich, pottschwarz wie ich noch immer war,
doch ganz zufrieden sein.
Wutz
erzählt, wie sie Wichtiges erfährt und der Professor einen Plan entwickelt
Vor allem aber war mir eines klar geworden: Der gewaltige
Gluto, der Klotz aus Granit, allmächtig war er auch nicht. Er hatte seine Grenzen.
Von wem war er abhängig? Lag dort der Schlüssel zu seiner Überwindung?
Ich hockte hinter den glühenden Gitterstäben und grübelte.
Obwohl mich das Feuer nicht verbrennen konnte, war mir in meiner wunderbaren
Rüstung mehr als heiß — überheiß. Ich setzte meinen Helm ab. Gluto dachte ja
wohl nicht daran, mit mir einen Zweikampf auszufechten.
Ja — aber kaum erblickte Gluto mein Haupt, fing er an zu
zetern. Ich begriff erst gar nicht, warum. Dann aber verstand ich: Unter dem
Helm war meine Kopfhaut vor Ruß, Asche und Kohlenstaub geschützt gewesen, daher
war sie nicht schwarz geworden — und daher war sie dort jetzt rosa! Ich mag
einen seltsamen Anblick abgegeben haben!
Gluto tobte: »Uuuuuuh... oooooooh... Du hast mich betrogen! Du
hast dich angemalt, du bist gar nicht schwarz von Angesicht, du hast dich in
weiblicher Falschheit geschminkt, um mich in dich verliebt zu machen!«
»Das wollte ich nicht, öfföff! — Sieh mal, woher sollte ich
denn wissen, daß du so versessen auf schwarze Haut bist?« »Ach, das sagt einem
doch der normale Verstand: weil ich selber schwarz bin, natürlich. — Aber
warte, das werde ich dir heimzahlen. O ja! Vielleicht hätte ich Titiwu nun
verschont, aber nachdem ich deinen Betrug erkannt habe, werde ich es erst recht
verschütten, unter Glut und Asche, mit oder ohne deinen Professor Schnüffler.
Ich werde meine Mama bitten, daß sie mir ganz schnell viel neues
Lava-Taschengeld schickt, damit ich ganz viel hinüberschleudern kann, ganz
weit...«
»Ist denn die glühende Lava dein Taschengeld?«
»Sozusagen. Du verstehst das Wort sicher besser als andere
Erklärungen. Jedenfalls bekomme ich davon regelmäßig viel, sehr viel.«
»Nun, anscheinend nicht genug, öfföff!«
»Warte es nur ab!«
»Darauf bin ich nicht neugierig. Ich glaube dir lieber so. Wer
sind aber deine Mama und dein Papa?«
»Das weißt du nicht? Sie wohnen in der Tiefe der Erde. Nie
wirst du dahin gelangen. Es sind Erdmama und Meergreis, im Innern der Welt,
unter den Ozeanen.«
Ich weiß nicht warum, aber bei diesen Worten spürte ich ein
leises, fast heiliges Prickeln den Rücken hinablaufen. Ich fragte: »Wenn sie
dir keine Lava schicken, dann kannst du nicht feuerspeien?«
»Natürlich nicht! Mit was denn? Sie schicken sie mir aber.
Sieh her: Der Krater ist durch einen langen Gang mit dem Erdinnern verbunden...«
Ich versank immer tiefer in Nachdenken. Je mehr er mir
erklärte, desto heftiger ergriff mich der Gedanke, zu Glutos Eltern zu
gelangen, um mit ihnen zu reden. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als vom
Urmel endlich hier herausgeholt zu werden.
Wo blieb es nur so lange? Es konnte mich doch nicht vergessen
haben?
Da saß ich nun hilflos hinter Gittern und sah den glühenden
Lavaspiegel im Krater durch das Glasfenster immer höher und höher steigen. Sehr
langsam zwar, aber Millimeter um Millimeter, wie die Stunden verrannen.
Und — wie ich später erfuhr — das Urmel dachte in diesem
Augenblick nicht an meine Rettung.
Es befand sich mit dem Professor und der ganzen
Inseleinwohnerschaft recht wohl in der Stadt der versunkenen Schiffe unter dem
Korallenriff.
Denn das Urmel war ganz versessen darauf, dem Professor
endlich begreiflich zu machen,
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