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Urmel im Vulkan

Urmel im Vulkan

Titel: Urmel im Vulkan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Kruse
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jauchzte es: »Aber du hast ja
Flügel!«
    Ja, mir waren Flügel gewachsen, echte, richtige Adlerschwingen
— oder Engelsflügel, wie man will. Und selig stieg ich mit ihnen empor, so
mühelos, daß das Urmel mir kaum zu folgen vermochte. Wir erreichten das
Tageslicht, die Sonne, hell lag das Meer unter uns, es dehnte sich in endloser
Einsamkeit — und das Grün von Titiwu leuchtete aus der Ferne.



Wutz
erzählt, wie sie nach einem Sturmflug in einer öden Gegend landen
     
     
    Wie froh war ich doch über die Freiheit — ich hätte jauchzen
können! Am liebsten hätte ich mich gleich in die Schlummertonne gelegt. Aber es
ging mit uns schnell dahin, höher und höher. Und es wurde immer kälter. Der
Sturmwind umtoste uns, wir froren jämmerlich, während unter uns winzig klein
die Städte und Dörfer hinwegzogen.
    So sausten wir geraume Zeit, wir wußten nicht, wie lange.
    Plötzlich jedoch fuhren wir abwärts, genauso schnell, wie es
emporgegangen war. Ich fühlte mich wie in einem kaputten Fahrstuhl, der in die
Tiefe stürzt. Mir wurde flau im Magen. Wo sollten wir landen — oder
zerschellen? In Pumpolon, in einem Palmenwald oder in einem Wundergarten?
    Ich hatte noch nicht zu Ende gedacht, da erreichten wir schon
den Erdboden. Wunderbar weich wurde unser Sturz abgebremst, wir kugelten nur
einige Male um- und übereinander, taten uns jedoch nicht sehr weh. Ein paar blaue
Flecke bekamen wir vielleicht, aber was ist das schon!
    Nur die Gegend erregte mein Mißfallen und mein Mißtrauen. Hier
war kein Wundergarten, hier war kein Baum, kein Strauch — öde und lehmig war es
ringsum, ein paar Felsen lagen verstreut — überhaupt sah es fast aus wie auf
dem Mond. Das Urmel hatte keine schöne Erinnerung an diesen Himmelskörper, es
jammerte: »Ein böser Geist hat uns in dieser Einsamkeit ausgesetzt, hier sollen
wir verhungern und verdursten!«
    Ich schaute mich genauer um, sah aber auch kein
Hoffnungszeichen und murmelte: »Nirgends ein Kohlkopf, öfföff, nicht einmal ein
Grashalm!« Und dann rieb ich mir die schmerzenden Knochen.
    »Wasser ist auch keines da — ich sehe keines und rieche
keines«, sagte das Urmel noch kläglicher.
    Wir durften uns aber nicht so trüber Stimmung hingeben. Ich
schlug daher vor: »Komm, wir erkunden die Umgebung — fliegen wir ein
Stückchen!«
    Gesagt — doch nicht getan! Das Urmel meinte, es spüre seine
Flügel so schwer, als seien sie aus Blei — es konnte sie nicht mehr schwingen.
Und es schaute mich an, mit so verwirrten Augen, daß mir ganz elend ums Herz
wurde. Und dann rief es: »Und du hast deine Flügel wieder verloren, Wutz, sie
liegen neben dir...«
    Ich verdrehte den Hals und starrte sie an: Sie lagen neben mir
wie abgefallene welke Blätter unter einem Baum im Herbst. Und vor meinen Augen
verwandelten sie sich, zerfielen zu Staub. Bald waren sie nicht mehr zu sehen.
    »Rätselhaft«, sagte ich.
    »Die verflixte Schweinefee hat uns im Stich gelassen«, sagte
das Urmel. »Wo ist der schlimme Geist, der uns hierher versetzt hat?«
    »Ich werde mit ihm kämpfen, öfföff«, versuchte ich mein
Kleines zu trösten. »Wenn er sich nur sehen ließe!«
    »Du bist sehr mutig«, bewunderte mich das Urmel. »Ganz ohne
Grünkohl richtest du dich in deiner Rüstung so kühn auf...«
    Die Sonne brannte grimmig. Und wir waren verdammt zu warten!
Zu warten? Darauf, daß wir verhungerten und verdursteten?
    Da spitzte das Urmel jäh seine Fledermausohren. »Ich höre
schleifende, schlürfende Schritte!« flüsterte es mit heiserer, fast unhörbarer
Stimme.
    »Es sind die Schritte eines schweren Riesen«, sagte ich.
    »Ich mag keine füßeschleifenden Riesen«, sagte das Urmel. »Ich
will ihn erschlagen!« Und rasch kroch es auf den Vorsprung eines kleinen
Felsens, packte einen Stein und ließ ihn auf das fallen, was sich unter ihm zu
uns herbewegte.
    Der Stein zersplitterte. Und der uralte Abgesandte der
Schweinefee schnarrte: »Das ist keine nette Begrüßung!«
    »Ach, du bist es«, sagte das Urmel verlegen und kroch herab.
»Ich bitte dich um Verzeihung.«
    Der Abgesandte schaute stumm mit wäßrigen Augen. Er sah sehr
geheimnisvoll aus, so unendlich schildkröterisch.
    Ich setzte mich hin, was mir in der Rüstung immer ein wenig
Schwierigkeiten bereitete, und grunzte: »Wie froh sind wir, dich zu sehen! Hast
du uns etwas zu essen und zu trinken mitgebracht?«
    »Ihr werdet gleich weder Hunger noch Durst mehr empfinden«,
war die Antwort. »Ihr sollt nämlich in die Erde

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