Urmel zieht zum Pol
gewaltig sein Bart ist, öfföff! Er duckt sich,
aber wenn er sich aufrichten würde, öfföff, wäre er so groß wie ein
Wolkengebirge!«
»Ein
Wolkengebirge aus Pflagsahne?« Ping Pinguin versuchte seine Besorgnis mit einem
Witz zu überspielen.
Der
Professor bat mit einer Bewegung seiner Hand um Ruhe. Er zog das Fernglas aus
der unergründlich tiefen Manteltasche, schob die Brille auf die Stirn und
setzte es an die Augen.
Und als er
es scharf eingestellt hatte, lächelte er. Wutz wunderte sich. Sie blickte von
dem Zottelkopf auf dem Hügel zum Professor, hin und her. Endlich fragte sie:
»Ist es etwa ein Engel mit Bart? Oder Naftaline in der allerneuesten
Nordpolmode, öfföff? Fransen sind vielleicht der letzte Schrei?«
»Es ist
eines der seltensten Tiere des Nordens, ein Moschusochse«, antwortete er.
»Ein
Mopfusochse? So einen habe ich aber nie gesehen, als ich klein war!« Ping
Pinguin verstand den
Unterschied zwischen Nord- und Südpol noch immer nicht. »Kennst du ihn, Wutz?«
Enttäuscht, daß es kein vornehmes Wesen war, schnaufte sie: »Ich kann doch
nicht jeden Ochsen kennen! Nun, immerhin besser ein Ochse als ein Gespenst.
Vielleicht könnten wir ihm Kamm und Bürste schenken, Professor?«
»Au, da hast
du aber lange zu kämmen, Wutz!« sagte das Urmel. »Am besten gehst du erst beim
königlichen Hoffriseur in Pumpolon in die Lehre!«
Der
Professor steckte das Fernglas in die Manteltasche.
»Ich möchte
mit ihm sprechen«, murmelte er. Er formte die Hände vor dem Mund zu einem
Trichter und stieß einen röhrenden Schrei aus. Wutz lief es prickelnd über den
Rücken.
»Pfwein mit
Gänsehaut!« Ping Pinguin plinkerte Babu zu.
Das große
Tier schien den Ruf zu verstehen. Es reckte sein gehörntes Haupt. Es witterte.
Der Professor setzte sich langsam in Bewegung. Seine Gefährten folgten einige
Schritte hinter ihm. Auch Ping Pinguin hatschte hangauf, über Moos, Geröll,
Flechten und lockere Steine.
»Er sieht
aus wie der Alte vom Nordberge!« schnaufte Wutz.
Niemand
wußte, wo sie diesen Namen her hatte. Der Moschusochse rührte sich nicht. Als
der Professor sich ihm bis auf etwa zehn Meter genähert hatte, blieb er stehen
und bat seine Freunde, ebenfalls nicht weiterzugehen. Er kniete nieder — nun
sah er dem Alten vom Nordberge aus gleicher Höhe in die Augen.
Die beiden
betrachteten sich ruhig. Der Bart des Tieres war grau, seine Brust über und
über behaart, und seinen kräftigen Schädel zierten zwei armdicke Hörner.
Sekunden
vergingen. Vielleicht sogar Minuten? Endlich nickte Habakuk Tibatong. Und auch
der Alte vom
Nordberge bewegte sein Haupt auf und ab. Da ließ der Professor zwei dunkle Töne
vernehmen.
»Als ob du
rülpst!« flüsterte das Urmel Wutz zu. Der Professor brummte und grunzte ganz
seltsam und machte
mit den Händen scharrende Bewegungen, wie ein Tier mit den Vorderhufen. Und der
Alte vom Nordberge schien ihn zu verstehen, er antwortete ebenso.
»Interessant,
öfföff«, bemerkte Wutz. »Aber auch ziemlich rätselhaft.«
Der
Professor erklärte: »Er hält mich für euer Leittier, so wie er selber früher
der Herr seiner Herde war. Sonst würde er nicht mit mir sprechen. Das wäre
unter seiner Würde!«
»Ach, er
unterhält sich nur von König zu König!« piepste das Urmel. »Du hast dir doch
gewünscht, jemand Vornehmem zu begegnen, Wutz, aber nun nimmt er keine Notiz
von dir. Soll ich mal machen, daß er uns bemerkt?«
»Sei ruhig!«
rief ihm der Professor zu.
Das fiel dem
Urmel schwer. Es faßte eine große Zuneigung zu dem zottigen Kerl, der sich aus
der Urzeit in unsere Tage herübergerettet zu haben schien.
»Wo ist denn
seine Herde?« fragte Wutz ein wenig ängstlich. Noch mehr solcher Bullen mit so
dicken Hörnern, das konnte gefährlich werden.
Der
Professor berichtete: »Seine Herde hat ihn ausgestoßen, als er alt wurde. Sie
hat sich einen jüngeren Herrn gewählt!«
»Ach, wie
traurig! Alt und ausgestoßen!« Das Urmel seufzte. »Oh, ich weiß was! Ping
Pinguin — oder Wawa — oder Schusch haben alle noch niemanden an Kindes Statt
angenommen. Tim Tintenklecks auch nicht! Er kann noch zu uns kommen!«
»Aber
höchstens als mein Großpapa!« piepste Ping Pinguin. Wutz nahm diesen Vorschlag
mit gemischten Gefühlen auf. »Hat er denn keine Verwandten oder Freunde, die
sich um ihn kümmern?«
Der
Professor winkte ab. »Er will es gar nicht. Er will weder zu Verwandten noch zu
uns. Dieser alte Moschusochse ist mit seinem Schicksal zufrieden.
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