Urmels Lichterbaum im Eismeer
Wasserbad setzte und es mit einer Spiritusflamme heizte. Wawa konnte das
Muscheldach zuklappen und hatte es schön warm. Durch die Perlmuttwände hörte er
die anderen reden, herumlaufen, wirtschaften — das fand er gemütlich.
An Deck, im
Meer und in der Luft
Aber noch
war es warm. An Winter und die Kälte erinnerte nur die lange Plastikhülle mit
dem fest verschnürten Tannenbaum auf Deck. Vorn und hinten dehnte sich das Meer
unendlich weit, mal blau, mal silbern, mal grau.
Das
Urmel genoss die Reise. Es konnte ja vom Deck mit ausgebreiteten Flügeln
entweder aufs Meer hinabsegeln und dort zum Schwimmtier werden. Dann tauchte,
schwamm und spielte es mit Seele-Fant und Ping Pinguin. Oder es flog höher
hinauf und vergnügte sich mit Schusch.
Dass
er manchmal ganz allein auf Deck zurückblieb, mochte Wawa nicht. Nicht einmal
Wutz war da, sie war fast immer in der Küche. Dann schlüpfte er betrübt in
seine Muschel, schob die Vorderpfoten auf den Rand und legte den Kopf darauf.
Wenn die Sonne brannte und ihn wärmte, wenn er zu dösen begann, fand aber auch
er es wunderbar.
Und
manchmal erhielt er ja auch Besuch von Schusch. Der Vogel landete vor der
Muschel, stolzierte herum oder blieb mit klapperndem Schnabel vor ihm stehen,
meist auf einem Bein. Schade nur, dass er Wawa auch nicht viel Neues zu
erzählen hatte. Er sah ja immer nur Möwen, Schwalben, Wellen und die endlose
See. Das war nicht so interessant.
»Eine
Seefahrt ist eigentlich tschiemlich langweilig«, zischelte Wawa darum.
»Na
ja, warum bäst du dann nächt zu Hause gebläben?«
»Ja,
warum?« Wawa überlegte. Endlich wusste er es: »Weil es tschu Hause gantsch
allein noch viel langweiliger ist!«
»Ach«,
antwortete Schusch weise. »Wer zufräden äst mät dem, was er hat, dem äst es nä
langweiläg!«
»Ich
bin aber nicht tschufrieden!«, empörte sich Wawa. »Wer tschufrieden ist, der
ist selbst furchtbar langweilig!«
»Was
du nächt sagst! Darüber muss äch nachdenken! Du meinst also, dass äch
langweiläg bän?«
»Das
habe ich doch nicht gesagt!«
Ȁch
bän aber zufräden!«
»Schön
für dich!«, meinte Wawa gutmütig. »Ich bin nicht tschufrieden.« Er verhedderte
sich in seinen Gedanken, wusste nicht weiter und gab dem Gespräch eine andere
Wendung: »Ist dir die Schneeschwalbe mal wieder begegnet?«
Schusch
schreckte zusammen. »Welche Schneeschwalbe?«
»Na,
die Schneeschwalbe, die dir von diesem Schamanen und Tschauberer Angakorok
erzählt hat, dass der Professor ihm tschu Hilfe kommen soll!«
Schusch
zwinkerte verlegen. »Ach die...« Er schüttelte seinen Vogelkopf. »Nein, nein«,
krähte er und hatte es plötzlich eilig. Er flog auf die Mastspitze. Da
versuchte er sich daran zu erinnern, ob die Schneeschwalbe denn nun wirklich zu
ihm gekommen war oder ob er alles nur geträumt hatte. Das musste dann freilich
ein sehr deutlicher, farbiger und lebhafter Traum gewesen sein. Er mochte mit
niemandem über seine Zweifel sprechen.
Aber
er freute sich, wenn das Urmel seine Flügel ausbreitete und sich vom Deck in
die Luft erhob, um ihn zu begleiten. Neben ihn, auf die Mastspitze, konnte es
sich ja nicht setzen, dafür war es zu groß und zu schwer. Dafür machte es mit
Schusch Rundflüge. Von weitem sahen sie ihr Schiff, den Fliegenden
Habakuk, mit grünem Rumpf und weißen Segeln auf der See, wie ein Spielzeug, wie ein
Schiffsmodell.
»Man
möchte nächt glauben, dass es überhaupt vom Fläck kommt!«, plapperte Schusch,
die Flügel auf und ab schwingend.
»Ja,
es sieht aus, als ob es ganz still und bewegungslos daläge«, bestätigte ihm das
Urmel. »Das kommt aber nur daher, weil wir schneller fliegen und so weit weg
sind.« Es hatte diese Erfahrung schon öfter gemacht. Seine weit gespannten
Flügel hoben es empor, wenn es sie nach unten drückte. Wenn es sie wieder
hochschwang, ließ der Auftrieb für kurze Zeit nach und sein Körper sank ein
wenig herab. So flog es in einer Art Schlangenlinie, Berg und Tal, auf und ab.
Schusch
blinzelte es von der Seite an und rief, stolz auf einen so seltsamen Freund:
»Du sähst aus wä ein flägender Drache aus der Urzeit!«
Das
Urmel nickte fröhlich. »Ja, ich bin wirklich sehr drachig — und urzeitlich
sowieso!«
Seele-Fant
blieb immer im Ozean. Er konnte sich auch im Wasser ausruhen. Ping Pinguin aber
ließ sich von Zeit zu Zeit in einem Körbchen am Seil an Deck ziehen.
Sie
hatten guten Wind. Er rauschte und trieb sie voran. Wellen ließen den
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