Urmels toller Traum
Brücke an Bord kam, legten sie die rechte Flügelspitze an den
Mützenrand und riefen: »Hurra!«
Urmel-König nickte gnädig.
Neben der Schiffswand tauchte
Seele-Fants massiger Kopf aus dem Wasser auf. Urmel-König beugte sich übers
Geländer und rief ihm zu: »Du kommst gerade recht. Ich ernenne dich während der
Dauer meiner Abwesenheit zum Statthalter von Titiwu.«
»Und was öst das, böttö?«,
brummte Seele-Fant.
»Du sollst an meiner statt
Titiwu regieren, bis ich wieder da bin.«
»An deunör statt?«
»An seiner Stelle, öfföff«,
erklärte ihm Wutz, die sich nun ebenfalls über die Reling lehnte.
»Stöllö odör statt, das
vörstöhö öch nöcht. Warum heußt ös dann nöcht Stöllhalter?«
»Oder Stillhalter?«, piepste
Ping Pinguin.
»Also Ställhalter«, plapperte
Schusch.
»Begib dich ins Schloss, setze
dich auf den Thron und sorge dafür, dass ich beim Heimkommen alles wieder so
vorfinde, wie ich es verlassen habe.«
»Meunötwögön. Wönn öch auf döm
Thron söngön darf!« Er schwamm zu der kleinen Steintreppe, die vom Hafen ins
Wasser führte, robbte geschickt hinauf und wunderte sich, wen er wohl regieren
sollte, da doch außer ihm und Albi niemand auf der Insel zurückblieb.
Vielleicht die Krabbe in der Höhle beim unterirdischen See. Aber die zählte
wohl nicht als richtiger Untertan.
Achtes
Kapitel
In
dem das Urmel träumt,
wie
lang die Seefahrt ist und
wie
sie endlich doch die Insel erreichen
Die richtigen Untertanen
segelten nun mit ihrem neuen König davon. Und in diesem Augenblick fanden sie
es alle ein tolles Abenteuer. Die Segel standen so herrlich weiß gebläht vor
dem knallblauen Himmel über ihnen, wie ganz frisch gewaschene, auf der Leine
hängende Bettlaken. Die Fahne flatterte, und die Pelikan-Matrosen huschten
eifrig hin und her, rollten Taue ein, zurrten Seile fest, und hinten am
Steuerruder — an dem mächtigen Rad mit den herausstehenden Holzknebeln — stand
der Traumkobold, nun auch wie ein altertümlicher Seekapitän gekleidet, mit
einem Dreispitz auf dem Kopf, und bestimmte den Kurs der Fahrt.
Das Segelschiff rauschte aus
Titiwus Hafen. An seinem Bug prangte der Name »S. M. S. Victoria«, was so viel
hieß wie: Seiner Majestät Schiff »Victoria«. Und Victoria wiederum bedeutet
Sieg.
Babu der Bär erklomm ein
dickes, rundes Pulverfass, das unter dem Hauptmast stand, legte sich auf den
Rücken, Tatzen in die Höhe, und rekelte sich in der Sonne.
Schusch stolzierte nach hinten
zum Heck des Schiffes, wo das Steuerruder war, und betrachtete mit schief
gelegtem Kopf die Kompassnadel. Sie lag zitternd in einem runden Behälter, der aussah
wie eine verglaste Uhr.
Wawa und Ping Pinguin schauten
zurück zur geliebten Heimatinsel, wo einmal ihre beiden Muscheln gelegen
hatten. Wer wusste, ob sie jetzt noch da waren? So viel hatte sich verändert.
Tim Tintenklecks ließ sich den
frischen Wind um die Nase wehen. Seine roten Haare wirbelten wie Flammen über
dem Kopf.
Ganz vorn aber hielt sich
Urmel-König im wehenden Mantel auf. Und neben ihm stand Wutz. Sie presste ein
langes Fernrohr vor das rechte Auge und klagte: »Ich sehe und sehe kein Land.
Überall ist nur Meer.«
»Das ist so auf großen
Seefahrten«, antwortete Urmel-König. »Kolumbus hat auch immer nur Wasser und
Wasser gesehen und schließlich hat er doch Amerika entdeckt!«
»Wie wahr!«, bemerkte Wutz.
»Aber jetzt habe ich Hunger, öfföff.«
Sie hatte Hunger und die
anderen hatten auch plötzlich Hunger und Durst. Und das geschah noch öfter und
immer wieder. Denn seltsamerweise wurde es eine sehr lange Seefahrt, viele Tage
und Nächte, in denen sie kein Land erblickten. Weder voraus noch hinter ihnen.
Und der Proviant wurde knapp, schließlich waren der letzte Zwieback und die
letzte Kartoffel aufgegessen und der letzte Schluck Wasser getrunken. Der
stolzen Mannschaft bemächtigten sich Sorge, Niedergeschlagenheit und
Mattigkeit, man riet sogar zur Umkehr, aber Urmel-König wollte davon nichts
wissen.
Ach, und dabei war die
Vulkaninsel Urwapingschu doch immer von Titiwu aus so nah zu sehen gewesen, zum
Greifen nahe, mit ihrem rauchenden Krater. Wie konnte sie sich nur so weit
entfernt haben? Fast wäre es zu einer Meuterei gekommen. Nur die
Pelikan-Matrosen versahen unbeirrt und treu ihren Dienst und auch der
Steuermann-Traumkobold zeigte keinerlei Unruhe.
Er hatte Recht. Endlich, eines
schönen Morgens, schob Wutz ihr Fernrohr zusammen und quiekte erfreut:
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