Urmels toller Traum
feststellte: »Äch muss jetzt weg. Luftpost äst
bekanntläch eiläg. Äch muss pünktläch sein. Väl Spaß noch.«
Er flog zunächst zum Postamt.
Aber bald sah man ihn mit einem Brief im Schnabel Kurs auf das offene Meer
nehmen. Der Brief war mit der königlichen Urmel-Briefmarke frankiert und
adressiert an Direktor Doktor Zwengelmann in P 7538 Pumpolon, Pumpolonien,
Naturkundemuseum. »P« hieß Pumpolonien, so wie »D« auf den Briefen Deutschland
heißt, und 7538 war die Postleitzahl, man hatte sie vor kurzem eingeführt.
Titiwu hat noch keine
Postleitzahl. Und hoffentlich bleibt das auch so. Schusch findet den Weg hin
und zurück auch ohne sie. Ganz besonders natürlich, wenn der Traumkobold die
Flugkontrolle ausführt.
Er hatte übrigens alle Hände
voll zu tun, der Traumkobold, denn man lässt nicht Einladungen an Freunde und
Bekannte ergehen, und dabei bleibt es dann. Nein, die Eingeladenen kommen dann
auch selbst, und zwar hier auf die traumhafteste Weise.
Zunächst ging eines Morgens wie
üblich die Sonne auf. Die Schlosskapelle stimmte im Hof den großen königlichen
Weckermarsch an, und Seine Majestät Urmel-König wälzte sich verschlafen im
knarrenden Holzbett zur Seite und brummte: »Viel zu früh, man soll mich später
wecken.«
Wutz dirigierte meisterhaft.
Das war eine gute Gymnastik, jedes Mal geriet sie ins Schwitzen und
infolgedessen hatte sie schon fünf Pfund abgenommen.
Nach dem Marsch räumten die
Musikanten ihre Instrumente weg und Tim Tintenklecks zog die neuen Fahnen an
den Masten auf. Herrlich leuchtete der rote Schuhschnabel-Reichsadler auf
gelbem Grund vor dem knallblauen Himmel. Das Schloss war über und über mit
Blumen geschmückt und aus vielen Fenstern hingen ebenfalls kleine Fahnen.
Schusch schwang sich in die
Luft, um ringsherum Ausschau zu halten. Es dauerte auch nicht lange, da kehrte
er bereits wieder und plärrte lauthals: »Dä ersten Gäste!«
»Schon, öfföff?«, grunzte Wutz
erschrocken. In ihrer Eigenschaft als Hofmarschallin kleidete sie Seine
Majestät Urmel-König gerade festlich ein. Er spreizte sich vor dem hohen
Spiegel mit dem geschnitzten Rand. Sie hing ihm den Umhang über die Schultern.
In ihrer Schnauze hielt sie ein Bündel Stecknadeln, um die Falten kunstvoll zu
ordnen und festzustecken. Schließlich heftete sie ihm noch den großen
dreizackigen Orden »Stern von Titiwu« an die Brust, links natürlich, wo er
hingehörte.
Und sie selbst schlüpfte in die
rotseidene Schärpe. Sie hing ihr schräg über dem Bauch und war an der rechten
Seite unten mit einer dicken Troddel beschwert. Das wirkte zwar dekorativ,
störte aber eigentlich mächtig beim Laufen.
»Ich muss zum Empfang«, japste
sie. Und weg war sie.
Als sie die Schlosstreppe
hinabtrabte und am Schilderhäuschen vorbeikam, sah sie zu ihrem Entsetzen, dass
der wachhabende Bär es sich bei einem Honigeimer aus der Speisekammer wohl sein
ließ. »Oh nein, nein«, rief sie, »Babu! Bring augenblicklich den Honig zurück!«
»Soforrrt«, brummte er, »derrr
Eimerrr ist sowieso gleich leerrr!«
Sie war zu sehr in Eile, um
sich mit ihm deswegen zu streiten.
Weit draußen im Meer, vom
Felsenriff aus, beobachteten Seele-Fant und Albi voller Interesse die Ankunft
der Gäste. Ziemlich früh schon war Onkel Pitsch erschienen. Er kam direkt aus
der Stadt der Homo-Saurier angeschwommen, aus der Stadt im Meer, die unter dem
Korallenriff lag und aus untergegangenen Schiffen bestand. Onkel Pitsch hatte
sich prächtig mit einer dicken, geflochtenen Blumenkette herausgeputzt, einer
Kette aus seltenen sumpfigen Unterwasserpflanzen. Sie baumelte um Hals und
Schulter vor der Brust, er sah aus wie ein Südseemädchen.
»Guten Morgen, pitsch püh«,
begrüßte er Seele-Fant, während er aus dem Wasser auftauchte. »Schön, dich
wieder zu sehen, altes Haus, pfiff. Ich bin bei so feierlichen Anlässen immer
froh über jedes bekannte Gesicht!«
»Da kommön noch möhr bökanntö
Gösöchtör«, antwortete Seele-Fant und deutete in den Himmel. »Juhu!«, grölte er
empor — und »Juhu, Seele-Fant!«, schallte es zurück.
In völliger Lautlosigkeit, fast
geisterhaft, schwebte ein großer Ballon herbei. Er schillerte in allen Regenbogenfarben,
wie eine Seifenblase. Unter ihm hing der Strohkorb. Fröhlich winkten Professor
Habakuk Tibatong, Direktor Doktor Zwengelmann im schwarzen Anzug, König
Pumponell, genannt Futsch, und seine Gattin Naftaline mit Händen,
Taschentüchern und Blumensträußen
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