Uschi Zietsch
»Ich weiß es nicht, Kelric. Wir sind beide Gottgesandte und können trotzdem nie etwas genau bestimmen. Unsere Verwundbarkeit besteht in EIwins Schwäche. Er gab uns den göttlichen Auftrag, aber mehr als Menschen sind wir auch nicht. Trotz der Droge, die nur den Verfall aufhält, aber nicht unverwundbar macht. Kelric ... ich bin froh, dass du es getan hast.«
Kelric lächelte. »Ich begehrte die Unsterblichkeit immer, weil mir klar war, dass ein Leben nicht ausreichen würde, um unserem Volk den Frieden zu bringen. Und ich wollte es unbedingt selbst tun.«
»So kommt ein Stein zum anderen, und das Bild wird deutlich und vollkommen. Trotzdem fürchte ich mich vor einem: Kelric, wie soll ich ohne dich leben?«
Kelric sah Melwin lange an. »Ich werde zurückkehren, Melwin«, sagte er fest. »Wir werden der Prophezeiung gemäß ein neues Zeitalter anbrechen lassen und um unser Recht kämpfen – du hier, ich auf dem Meer. Mein Freund, über dreißig Jahre haben wir unsere Geschichte gemeinsam geschrieben, und das werden wir auch weiterhin tun. Und dann, wenn alles geschehen ist, werden wir Laïre neu gründen. Gemeinsam.«
Melwin lächelte, und das Verständnis zwischen ihnen brauchte keine Worte und Erklärungen mehr. Gemeinsam, wie sie fast ihr ganzes Leben verbracht hatten, gingen sie zum Fenster und ließen hinter sich das alte Leben mit allen Qualen, Schmerzen und Entbehrungen zurück, um gemeinsam in ein neues Leben zu treten, mit demselben Schicksal und denselben Gedanken. Mit neuer Kraft und Hoffnung erfüllt, wollten sie den Kampf wieder aufnehmen, und sie waren sicher, dass sie gewinnen würden mit der Macht von Laïre, die in ihnen allen ruhte.
Sie traten ans Fenster und bemerkten nun erst, dass die Nacht schon lange vorüber war.
»Schön, nicht wahr?«, flüsterte Gorwyna. »So ein Tagesanbruch ...«
Kelric nickte und sah zu Melwin hinüber, als er dessen Blick auf sich ruhen fühlte. Wortlos deutete der Freund auf einen Felsblock im Ziergarten des Schlosses, auf dem eine rote und eine blaue Wanderblume soeben die Kelche öffneten. Gleichzeitig hoben sie den Blick zum Himmel. Rotleuchtend ging die Sonne im Osten auf, und Frühnebel zog über das Land.
Anhang
Das Träumende Universum
Ishtru ist der Träumer.
Als Ishtrus Traum beginnt, entstehen die Ersten:
Allen voran die ERSTEN GEDANKEN – Erenatar , der Lebensbringer, und Ishtrus Feueratem , Schöpfer der Sonnen, zugleich aber auch Zerstörer.
Fast gleichzeitig, nur wenig später, entsteht die EINHEIT, Harmonie/Gleichklang und Gleichgewicht.
Dann folgen die Mächtigen:
Götter, Drachen, das Erste Volk der Sterblichen (die Annatai), die Unsterblichen (wie z.B. die Sternenkinder).
Und schließlich, als das All bewohnbar ist, entsteht das gesamte weltliche Leben durch göttliche Schöpfung sowie Verbreitung des Lebenssamens: Die Erste Menschheit, die Zweite Menschheit, Zwerge, vielfältige weitere Intelligenzwesen, artenreiche Flora und Fauna.
Eine lange Zeit hindurch ist der Traum beherrscht von Frieden und Harmonie. Durch das ganze All dringt wundervoller Gesang, die Weltenmelodien befinden sich im Einklang.
Der Traum entwickelt sich, während immer neue Welten und immer neues Leben entstehen, die ersten Sternenschiffe gehen auf Reisen, die Weltentore der bewohnten Welten sind dauerhaft geöffnet und können jederzeit von allen Intelligenzen, ob magisch begabt oder nicht, durchschritten werden. Man ist sich nahe.
Erenatar überwacht als gütige Macht die Entwicklung des Lebens.
Ishtrus Feueratem wandelt sich zur Schlafenden Schlange, zum Wächter über den Traum. Die Schlafende Schlange ruht solange, bis der Traum alt und starr wird. Droht die Gefahr der Erstarrung, erwacht die Schlafende Schlange und zerstört den Traum. Nach Vollendung der Zerstörung gibt es nichts mehr, auch keine Erinnerung. Als habe das Träumende Universum nie existiert. Der Traum ist zu Ende, und der Schläfer erwacht.
Doch davon wissen die Ersten noch nichts. Es ist alles Eins und Harmonie, bis zu dem »Tag« ...
... an dem die EINHEIT plötzlich zerbricht.
Es wird getrennt, was man für untrennbar hielt. Das Gleichgewicht gerät ins Schwanken.
Die Getrennten, die nun ZWEI sind, sind verzweifelt und wollen wieder zusammen kommen. Jeder fühlt sich ohne den anderen leer, verlassen, ängstlich. Doch alle Versuche scheitern.
Aus ihnen werden Regenbogen (ehemals Harmonie) und Finsternis (ehemals Gleichgewicht), zwei gigantische Wolkenmeere hinter der
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