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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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Bemerkung: »Na, ’s is ja nich das erste Mal. Und wenn du ’n utopisches Schnitzel mit Pfifferlingen ißt, alter Junge, dann denk ’n bißchen an deinen ollen Hein, der bei Wasser und Brot Tüten klebt.«
    »Darf ich Hein in seiner Zelle besuchen?« fragte ich.
    »Zelle? – Wir kennen das Wort nicht«, sagten die Genossen und erhoben sich.
     
12
     
    An einem Mittwoch war Hein der Exekutive übergeben worden. Am Sonntag fragte mich der Genosse Joll, ob ich ihn auf der Inspektionsreise begleiten wolle. Als Vorsitzender des Rates war er zugleich Chef des Gefangenenwesens, wie man sich bei uns ausgedrückt hätte. In Utopia hieß er »Freund der Einsamen«.
    Voll Freude willigte ich ein.
    Ich nahm an seiner Seite in dem kleinen Flugzeug Platz, das er selbst steuerte. Der Propellerantrieb erfolgte elektrisch. Winzige Kraftspeicher spendeten genug Strom, um den Apparat Tausende von Meilen weit zu treiben. Die Flügel liefen schmal im spitzen Winkel am Rumpf entlang. Die Maschine glich einer Schwal be, die im Pfeilflug herabschießt.
    In rasender Geschwindigkeit stürmten wir davon, glitten über der Küste entlang, die wie ein helles Band unter uns abrollte, und nahmen dann Kurs auf das freie Meer. Kleine Inseln tauchten vor uns auf. Wir stießen auf sie nieder. Kurz vor dem Erdboden, der uns entgegenzustürzen schien, drehte sich die Propellerachse im Winkel nach oben. Die Fahrt verlangsamte sich augenblicklich. Fast senkrecht und ohne Auslauf setzten wir behutsam auf.
    »Hier kannst du deinen Robinson umarmen«, mein te Joll lächelnd, wahrend wir die Kabine verließen. Und richtig trat schon aus einer Baumgruppe Hein auf uns zu.
    Er freute sich gewaltig, uns zu sehen.
    »Ich will euch nicht stören, Jungens«, sagte Joll. »Ist alles in Ordnung? Hast du Wünsche, Hein?« Hein überfiel plötzlich wieder der Drillfimmel.
    Mit zackiger Stimme meldete er: »Auf Insel 23 alles in Ordnung. …« und ich merkte ihm an, daß er im letzten Augenblick die Bekräftigungsformel: »… Herr Feldwebel!« mühsam verschluckte.
    »Na, schön!« lenkte Joll ab. »Ich besuche jetzt der Reihe nach meine anderen Einsiedler, viele sind’s ja nicht – und hole dich dann wieder ab, Karl.« Winkte und blitzte schon mit seiner Schwalbe davon.
    Hein ermunterte sich.
    »Mensch«, sagte er und grinste übers ganze Gesicht, »kannste mir nich ’n paar Tage Zulage verschaffen? …«
    Dann zeigte er mir sein »Gefängnis«. Die Insel hatte ungefähr die Ausdehnung einer Gehstunde. Ein tropischer Garten mit wundervollen Blüten und köstlichen Früchten. Auf kleiner Anhöhe stand ebenerdig das Haus. Bequemer Wohnraum mit breiten Fenstern gegen drei Himmelsrichtungen, anstoßend eine kleine elektrische Küche, ein Vorratsraum mit Lebensmitteln aller Art. Gegen die Schattenseite eine Art Veranda mit Handwerksgerät. Da standen eine Hobelbank und verschiedene Apparate zur Metallbearbeitung; eine komplizierte Schalttafel für elektrische Versuche blinkte von der Wand. Rohmaterial, das man bearbeiten woll te, Holz, Metall oder was sonst erhielt man auf Wunsch geliefert. Jeden zweiten Tag landete ein Flugboot des Kontrolldienstes, der jede Bestellung genau ausführte.
    Wie uns später Joll erzählte, verdankte der Staat diesen »Robinson-Inseln«, wie er scherzhaft sagte, wertvolle Erfindungen. Die Verbannten wetteiferten im stillen, ihre Einsamkeit für die Gesamtheit zu nutzen. Auch kam es nicht selten vor, daß Genossen, die sich auf eine wissenschaftliche Arbeit sammeln wollten, freiwilligen Aufenthalt auf den Inseln suchten.
    Der Wohnraum enthielt eine kleine Bibliothek, an der mich Hein geringschätzig vorbeiführte. Bücher verachtete er als mannesunwürdig. Dagegen zeigte er mir mit Stolz seine Arbeit in der Werkstatt. Kunstvoll montierte er in einer Flasche einen Dreimastschoner mit voller Takelage. Die einzelnen Teile wurden mit Pinzetten durch den engen Flaschenhals geschoben und im Innern durch kleine Fadenzüge aufgerichtet. Wenn man Heins Pranken betrachtete und daneben das zierliche Figurenwerk sah, mußte man staunen. Aber nach geistiger Sammlung auf die Idee der Gemeinschaftsarbeit roch diese Beschäftigung natürlich nicht.
    Ich fragte vorsichtig, für wen er diesen Flaschenzauber herrichte.
    Stolz tippte Hein auf die Stelle, wo hinter der Glaswand in wellenschlagendem und meergrün bemaltem Glaserkitt der Bug des Schiffleins eingebettet war. Da stand in winzigen Buchstaben der Name des Schoners, »Katharina«, und darunter,

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