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Utopolis

Utopolis

Titel: Utopolis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Illig
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Denken Sie darüber nach. Sie sind hier ungestört.« Während solcher und ähnlicher belehrender Reden hatte ich seine Uniform angezogen, meinen Bart abgezupft, und mir die Schminke, so gut es gehen wollte, aus dem Gesicht gerieben. Sporenklirrend und säbelschleifend verließ ich als Leutnant oder was ähnliches die traute, süßduftende Laube.
    Niemand hielt mich auf, als ich sicheren Schrittes und lässig grüßend, in die Vorhalle des Parkhotels eintrat. Gelangweilt ging ich auf und ab, als sei ich zum Befehlsempfang bestellt; besah mir Reiseplakate und Zimmertafel, um mir die Zeit zu vertreiben.
    Auf dieser Tafel war der nähere Hofstaat verzeichnet, der sich um die Gemächer des Kaisers gruppierte.
    Die Zimmer 1 bis 9 waren durch eine Klammer verbunden, hinter der aus Goldpapier geschnitten, eine kunstvolle Krone aufgeklebt war. Dort wohnte also ER.
    (Bob, was treibst du in neun Zimmern, da du noch nicht einmal christlich verheiratet bist?)
    Nummer 10 trug die Inschrift »Geheimkabinett«. Ich dachte, es sei der Sitzungssaal des Staatsrates, entdeckte aber später, daß es nur ein kleiner Raum war, mit einem gewissen Porzellanbecken und einem Griff zum Wasserfall.
    Folgten mit je zwei oder drei Zimmern die hohen Würdenträger.
    Wirklich, da gab es Kämmerer, Marschälle und Truchsesse. Da gab es Minister aller Spezialabteilun gen. Und selbstverständlich auch einen Kriegsminister. Er bewohnte siebzehn und achtzehn, und nannte sich »von Starkström«.
    Das genügte mir.
    Ich klirrte nun die breite Marmortreppe empor, die zum großen Festsaal führte. Einen der galonierten Diener, die vor den offenen Türen Parade standen, fragte ich nach seiner Exzellenz, dem Herrn Kriegsminister. Ich hätte eine Meldung, die jedoch nicht so eilig sei, daß man seine Exzellenz von der Tafel abrufen müsse. Ich wollte eine günstige Gelegenheit abwarten …
    Man begriff meine Diskretion und zeigte mir den hohen Herrn, der rechts vom Kaiser-Bob saß, und mit einer Dame in lebhaftes Gespräch verwickelt schien. Er trug sein eisengraues Haar kurz gescheitelt. Der Bart auf der Oberlippe glich einer straffen Zahnbürste. Sein rotes Gesicht glänzte vor Hochmutsspeck. Ein Monokel funkelte herausfordernd über seine bewundernde Nachbarin hin. Er war auf längere Zeit versorgt …
    Ich sprang hinunter in die Hotelhalle und verlangte die Schlüssel zu den Räumen des Herrn Kriegsministers. Man gab sie mir ohne Argwohn.
    Nun schnell hinauf in den Wohntrakt. Vor den Zimmern des Kaisers patrouillierten zwei Soldaten. Standen stramm, als ich vorüberrauschte. Die Zimmer Starkstroms lagen zum Glück um die Ecke. Ich fand sie leicht, waren doch die Türen mit schwarzen Zickzackkreuzen beschmiert, und unter der Visitenkarte mit dem Namen seiner Exzellenz, stand mit ungelenker Hand gekritzelt: Juden raus! Niemand beobachtete mich, als ich aufschloß und verschwand. Schnell abgeriegelt! Einen Blick durch das Fenster. Im Notfall könnte ich in den Garten springen. Aufgelockerte Blumenbeete würden den Fall mildern. Hoffentlich befinden sich keine Stachelkakteen darunter.
    Ich durchwühlte die Schränke. Eine Uniform mit stattlichem Behang fand sich. Ich zog sie an, beschnitt die Greisenperücke so gut es gehen wollte nach dem Muster meines Doppelgängers, bürstete mir einen Wasserscheitel militärisch, exakt, und klebte mir aus abgefallenen Borsten das schneidige Bärtchen. Das Gesicht verschmierte ich mir mit Generalsrot. Vom Nachttischchen blinkte mich ein runder Glasscherben ironisch an. Ich klemmte ihn ins Auge, trat vor den Spiegel – und »Äh … Donnerwetter …« entfuhr es mir ganz von selbst aus dem Munde.
    Einen weiten grauen Umhang legte ich um die Schultern. Die Mütze paßte einigermaßen. Ich raffte eine Aktenmappe vom Tisch. Nur schnell hinaus!
    Die beiden Posten präsentierten jetzt, daß es nur so knallte.
    Wie rasch der Mensch als Soldat verdummt.
    In der Halle knickten die Fracks vor mir zusammen, die Uniformen stellten sich. Der Portier pfiff einen Wagen heran und riß salutierend den Schlag auf. Ich warf ihm die Schlüssel zu und befahl kurz: »Handelsklub«. Wir sausten davon. Der Morgen graute.
    Während der Fahrt durchstöberte ich den Inhalt der Aktentasche in der Hoffnung, Material für meine Unternehmung zu finden. Nichts dergleichen. Sie enthielt leere Papierbogen und einen begonnenen Privatbrief: »Liebe Arabella, ich habe das Portefeuille des Kriegsministers übernommen. Damit wird sich ein schönes Stück Geld

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