Utopolis
die zwei jungen Leute neben mir, verbanden mir wieder die Augen, und führten mich auf dem bekannten Weg zurück. Morgon hatte es nicht für nötig befunden, noch ein Wort an mich zu richten.
Unversehens stand ich allein im Vorzimmer des Klubhauses, schnallte meinen Säbel um, und ging unbehindert davon. Das Auto wartete noch auf mich.
In einiger Verlegenheit ließ ich mich zum Dom fahren, stieg aus, und befahl den Wagen nach dem Hotel.
Jetzt wird Kaiser-Bob, ärgerlich über die Störung seiner Nachtruhe, den Herrn von Starkström wecken und ihm mitteilen lassen, daß er allerhöchst in Ungna de gefallen und hiermit seiner Würden ledig sei.
Niemals wird Starkström erfahren, warum dieses Ungewitter so jäh über ihn hereinbricht; denn der Kai ser wird nie eingestehen, daß ihn Morgon kommandiert hatte; und Morgon wird kein Wort mehr von der Sache reden, weil sie für ihn erledigt ist.
Wer kauft nun Arabella den Blaufuchs? fragte ich mich.
Die schöne Uniform tauschte ich bei den Domvagabunden gegen eine schäbige Arbeiterkluft und einige Eßwaren um.
Mein Plan war im wesentlichen gescheitert. Ich hat te gehofft, mich auf irgendeine Weise, die der Augenblick hätte ergeben müssen, im Hause Morgons verstecken zu können.
Der einzige Gewinn meiner Expedition war die Gewißheit, daß man vom Klubhaus, wenn man den unterirdischen Schacht fand, sich an die Morgonburg heranarbeiten konnte. Darauf stützte ich meinen nächsten Plan. Jetzt, am Tage, konnte ich natürlich nichts unternehmen. Müde verkroch ich mich in der Sakristei und schlief sofort ein.
30
Kurz nach Mittag wachte ich auf.
Gern wäre ich auf einige Stunden zu Tirwa zurück gekehrt; aber ich wagte es nicht. Wahrscheinlich konn te man mit Hilfe des Fernsehers, der durch die Mauern drang, auch die Vorgänge im Turm beobachten. Daß man sich mit mir beschäftigte, wußte ich von früher. Im Strudel der Ereignisse hatte man offenbar meine Spur verloren. Ich wollte es meinen Feinden nicht leicht machen, sie wiederzufinden.
Ich schloß mich einem Trupp von Schnapphähnen an, die nach Gelegenheiten stöberten.
»Bei den Reichen hat’s keinen Zweck«, belehrte mich einer, »wenn du keinen Elektroschweißer hast. Alles hinter Panzerstahl, Mensch, und womöglich noch unter Hochspannung. Aber die Soldaten, die Offiziere, die haben ihr Geld lose in der Hosentasche …«
Wir schlängelten uns vorsichtig um Polizisten herum, die uns argwöhnisch nachgafften. Wie müde Arbeiter trotteten wir, die von der Schicht kommen.
Meine Kollegen von der Zunft wußten einige Neuigkeiten.
Heute morgen waren etliche tausend Nummern der Arbeitsverträgler aufgerufen worden. Unter militärischer Bewachung mußten sie die Straßen säubern, die Buden auf dem Rummelplatz abreißen.
An den Mauern lasen wir Anschläge: »Wer bis heu te abend sechs Uhr nicht im Besitze einer Arbeitskarte ist und sich ausweisen kann, verfällt dem Standgericht.«
Verflucht – meine Kunden kratzten sich den Kopf. Das Wichtigste war demnach, erst mal eine Legitimation zu klauen.
Wir änderten die Richtung, ließen die Kasernen rechts und strichen am Turm vorbei nach den wenigen Arbeiterburgen, in denen man die Menschen zu Tausenden zusammengepfercht hatte.
»Wer wohnt denn jetzt im Turm?« fragte ich arglistig, um die Meinung der besitzkranken Genossen zu erforschen.
»Das weißt du nicht?« – Sie betrachteten mich verwundert, als sei ich vom Mond gefallen. »Dort haben sich die roten Teufel verschanzt, die uns alle umbringen wollen. So predigt’s der Pfarrer von der Kanzel, und da wird’s schon wahr sein. Nachts hocken sie oben auf dem Dach und fauchen ihren feurigen Atem in die Wolken, weil sie nichts ausrichten können. Sie werden nämlich durch unsere frommen Brüder gebannt. Siehst du, da kommen sie schon …«
Bevor ich mich von so viel Unsinn erholen konnte, sah ich einen sonderbaren Zug um die Ecke biegen. Voran schritt ein Mönch, der unter der Last eines schweren hölzernen Kreuzes fast zusammenbrach. Ihm folgten andere, die aus kupfernen Kesseln Weihwasser auf die Erde spritzten. Hinter ihnen etwa hundert Männer und Frauen mit entblößten Oberkörpern schwere Geißeln schwingend, mit denen sie sich selbst oder gegenseitig blutende Wunden ins Fleisch rissen.
Die Mönche sangen. Die Geißelschwinger schrien und brüllten nach der Gnade Gottes. Schaum troff von ihren Mündern. Sie verrenkten sich in wunderlichen Sprüngen. Manche trugen Schellenkappen oder Gloc ken
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