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V wie Viktor

V wie Viktor

Titel: V wie Viktor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Schwarz
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nur vermuten, dass es das seiner Familie war. Die Klingen sahen wertvoll und verdammt scharf aus. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, leicht mit dem Finger darüberzufahren.
    Autsch! Keine gute Idee.
    Ich hatte sie fast nicht berührt und trotzdem quoll sofort Blut aus dem verdammt tiefen Schnitt. Reflexartig steckte ich den Finger in den Mund und sah mich nach einem geeigneten Verband um. Blut. Was für ein Gefühl mochte das wohl sein, seine Zähne in den Hals eines Menschen zu schlagen? Seinen Lebenssaft zu trinken? Mein Eigenes schmeckte metallisch und einen Hauch süßlich, es war gar nicht so unangenehm. Ich saugte ein wenig stärker daran.
    Jetzt wird's richtig crazy! Das kann nur der Schock sein! Schluss damit!
    Ich fand in der Kommode ein sauberes Taschentuch, wickelte es um meinen Finger und kroch ins Bett, fest entschlossen zu schlafen.

    Als ich das nächste Mal auf die Uhr sah, waren zwei Stunden vergangen, in denen ich mich von einer Seite auf die andere gewälzt hatte. Langsam, aber sicher bekam ich Kopfschmerzen vom ruhelosen Drehen, das hatte so keinen Sinn. Leise öffnete ich die Tür, blinzelte vorsichtig nach draußen. Im Halbdunkel war nichts zu hören oder zu sehen, also nahm ich an, dass Andrew sich auch hingelegt hatte. Auf Zehenspitzen schlich ich an den anderen Türen vorbei, zurück ins Wohnzimmer.
    Vielleicht würde mich ein Glas warme Milch müde machen, einen Versuch wäre es wert. Ich war schon fast in der Küche angelangt, als ich ein winziges Geräusch hörte, das mich mitten in der Bewegung erstarren ließ.
    »Wegen mir musst du nicht so leise sein.«
    »Andrew! Ich dachte du schläfst!«
    Eine kleine Stehlampe leuchtete auf. Er hatte sich auf dem Sofa ausgestreckt, aber seine Augen waren hellwach. Selbst in diesem schwachen Licht strahlten sie so blau wie ein Frühlingsmorgen am Meer. Er richtete sich auf, lächelte ein wenig zögernd und sagte: »Wenn du Gesellschaft willst …?«
    »Wenn ich ein Glas warme Milch bekomme.«
    Jetzt lachte er.
    »Wenn das dein größter Wunsch ist — zu Befehl, Mylady.«
    Schon war er aufgestanden, vollführte eine kunstvolle Verbeugung, drückte mich sanft in die Polster und verschwand in der Küche. Ich kuschelte mich in eine Ecke der riesigen Sitzlandschaft und zog die Beine unter mich. Wie immer bisher fühlte ich mich in seiner Nähe sicher und behütet. Er hatte diese Ausstrahlung einfach, genau wie Viktor. Sie gaben mir das Gefühl, in ihrer Gegenwart könne mir nichts Schlimmes widerfahren. Eigentlich war es völlig paradox, denn erst seit ich sie kannte, waren all diese schrecklichen Dinge passiert. Für den Moment war ich so abwesend, dass ich ihn erst wieder bemerkte, als er mir eine Decke über die Beine legte und die dampfende Milch vor mir auf dem Tisch abstellte.
    »Pass auf, sie ist sehr heiß!«
    Er setzte sich ans andere Ende, lehnte sich zurück und beobachtet mich grinsend, wie ich versuchte, das Glas zu halten, ohne mir die Finger zu verbrennen.
    »Hey! Lachst du mich etwa aus?«
    Das Grinsen wurde breiter.
    »Das würde ich niemals wagen Mylady.«
    »Frechheit!«
    Ich warf ein Kissen nach ihm. Völlig sinnlos. Er fing es auf, bevor es eine Chance hatte, ihn zu treffen. Aber es tat so gut, einfach ein wenig herumzualbern. Er brachte mich zum Lachen und dazu, mich für eine Weile »normal« zu fühlen.
    Wir redeten über alles Mögliche, nur nicht über die letzte Nacht. Ich fragte ihn nach dem Wappen und er erzählte mir die Geschichte seiner Familie. Dabei sprühte er vor Lebendigkeit und Begeisterung. Ich kann Lin gut verstehen, dachte ich. Er hat so einen unglaublichen, jungenhaften Charme und er macht es einem leicht, ihn zu mögen. Dazu kam als überaus reizvoller Kontrast die pure, muskelbepackte Männlichkeit, die er aus allen Poren strömte. Wenn ich diese nächtliche Szene im Landhaus dachte …
    »Was geht dir gerade durch deinen hübschen Kopf?«
    Ertappt sah ich ihn an und wurde schon wieder rot. Sein Blick wurde etwas intensiver.
    »Wage es nicht!«
    Fragend hob er die Augenbrauen.
    »Wage es nicht, meine Gedanken zu lesen.«
    »Wieso? Was würde ich denn dort finden?«
    Ich kam aus dem rot werden gar nicht mehr heraus.
    »Anna. Sieh mich an. Absichtlich würde ich das nie tun. Aber …«
    »Aber was?«
    Er verbiss sich sichtlich das Lachen.
    »Aber was???«
    »Du denkst einfach zu laut. Da kann ich nichts dafür.«
    Oh mein Gott! Jetzt wird es peinlich.
    »Liebes, das muss dir nicht peinlich sein. Ich

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