Vaeter und Soehne
war.
»Ja,« antwortete Bazaroff, »es fehlt der Gevatterin nicht an Gehirn, und sie weiß sich auch zu helfen.«
»Wie verstehst du das?«
»Das läßt sich auf zweierlei Art verstehen, mein Bester! Ich bin gewiß, daß sie ihr Vermögen charmant verwaltet. Wenn hier jemand bewundernswürdig ist, so ists ihre Schwester.«
»Wie? Die kleine schwarze Hexe?«
»Ja, die kleine schwarze Hexe; die ist frisch und unberührt und schüchtern und schweigsam; die verdiente, daß man sich mit ihr beschäftigt. Aus dieser Natur könnte man noch machen, was man wollte, während die andere …«
Arkad gab Bazaroff keine Antwort, und jeder von ihnen legte sich mit seinen eigenen Gedanken schlafen.
Frau Odinzoff dachte diesen Abend auch an ihre Gäste, Bazaroff gefiel ihr durch seine völlige Anspruchslosigkeit und selbst durch sein schneidendes Urteil. Er war für sie noch etwas ganz Neues, und sie war neugierig.
Frau Odinzoff war ein wunderbares Wesen. Ohne Vorurteil, ja sogar ohne festen Glauben, wich sie vor nichts zurück, und doch schritt sie nicht viel vorwärts. In vielem sah sie scharf, interessierte sich für vieles und nichts konnte sie befriedigen; ich weiß nicht einmal, ob sie eine volle Befriedigung wünschte. Ihr Geist war wißbegierig und gleichgültig zugleich; nie verschwanden ihre Zweifel, ohne eine Spur zu hinterlassen, und nie wurden sie stark genug, um sie zu beunruhigen. Wäre sie nicht reich und unabhängig gewesen, so hätte sie sich vielleicht ins Getümmel gewagt und die Leidenschaften kennen gelernt … Aber so hatte sie ein ungetrübtes Dasein, obgleich sie manchmal ein Gefühl von Langeweile überkam, und sie fuhr fort, ohne sich je zu beeilen und nur selten erregt von Tag zu Tag zu leben. Manchmal traten nur allzu verführerische Bilder vor ihre Augen, aber wenn das Bild verschwunden war, sank sie in ihre Seelenruhe zurück und bedauerte nichts. Ihre Einbildungskraft überschritt oft die Grenzen des nach den gewöhnlichen Regeln der Moral Erlaubten; aber selbst dann floß das Blut in ihrem schönen, immer frischen und friedlichen Körper so ruhig wie gewöhnlich. Oft wenn sie morgens warm und schmachtend aus ihrem duftigen Bade stieg, konnte sie anfangen zu träumen über die Eitelkeit des Lebens, über seine Freudlosigkeit und seine Müh und Arbeit … Ein plötzlicher Aufschwung erfaßte sie; sie fühlte ein edles Streben in ihrem Innern erwachen; da drang ein Zug durch ein halboffenes Fenster, und Frau Odinzoff schauerte, beklagte sich, sie bezwang sogar nur mühsam eine Zornesregung und verlangte für den Augenblick nur das eine, daß der garstige Wind aufhöre. Wie alle Frauen, denen es nicht gegeben ist, zu lieben, wünschte sie beständig etwas, ohne selbst recht zu wissen was. In der Tat wünschte sie nichts, obgleich es ihr vorkam, als ob sie alles in der Welt wünsche. Kaum hatte sie ihren Gatten ertragen mögen. Sie hatte sich aus Berechnung vermählt; sie hätte wahrscheinlich nicht eingewilligt, Herrn Odinzoff zu heiraten, wenn sie ihn nicht für einen galanten Mann gehalten hätte; aber sie hatte sich getäuscht, und es war ihr ein geheimer Widerwille gegen die Männer überhaupt geblieben, die sie sich alle unreinlich, plump, träg, beständig gelangweilt und energielos vorstellte. Doch war sie auf ihrer Reise einem jungen, schönen Schweden begegnet, einem Mann von ritterlichem Aussehen, mit blauen, ehrlichen Augen und hoher, freier Stirne; er hatte einen tiefen Eindruck auf sie gemacht, aber das hatte sie nicht abgehalten, nach Rußland zurückzukehren.
»Dieser Doktor ist ein sonderbarer Mensch!« sagte sie, in ihrem prächtigen Bett auf Spitzenkissen unter einer leichten seidenen Decke liegend. Anna Sergejewna hatte etwas von ihres Vaters Liebe für den Luxus geerbt. Sie hatte ihren Vater sehr lieb gehabt, so lasterhaft er war, und er betete seine Tochter an, scherzte mit ihr wie mit einem Freund, bewies ihr ein grenzenloses Vertrauen und zog sie oft zu Rat. Von ihrer Mutter war ihr bloß eine dunkle Erinnerung geblieben.
»Dieser Doktor ist ein sonderbarer Mensch!« sagte sie sich wiederholt im Gedanken an ihn. Sie streckte sich in ihrem Bette, lächelte, legte den Arm unter den Kopf; dann, nachdem sie zwei oder drei Seiten eines schlechten französischen Romans überflogen hatte, ließ sie das Buch fallen und schlief, weiß, rein und kalt, in ihrem duftenden Bette ein.
Am andern Morgen nach dem Frühstück ging Frau Odinzoff mit Bazaroff botanisieren und kam erst zum
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