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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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lernen.«
    Bazaroff lächelte.
    »Erstens«, fuhr er fort, »erreicht man das durch die Lebenserfahrung, und zweitens muß ich Ihnen sagen, daß ichs durchaus nicht für notwendig halte, jedes Individuum besonders kennen zu lernen. Alle Menschen gleichen sich, ebenso dem Leib als der Seele nach; jeder von uns hat ein Gehirn, ein Herz, eine Milz, Lungen, alles gleich gebaut. Die Eigenschaften, welche man ›moralische‹ nennt, sind ebenfalls identisch bei allen Menschen; sie zeigen nur unbedeutende Unterschiede. Ein einziges Menschenexemplar genügt, um alle andern zu beurteilen. Die Menschen sind wie die Birken des Waldes; keinem Botaniker wird es einfallen, jedes Muster besonders zu studieren.«
    Katia, welche ihre Blumen langsam eine nach der andern ordnete, richtete die Augen erstaunt auf Bazaroff, wurde aber, als sie seinem unbefangenen, kühnen Blick begegnete, rot bis über die Ohren. Frau Odinzoff schüttelte den Kopf.
    »Die Birken des Waldes!« wiederholte sie; »so ist also Ihrer Ansicht nach kein Unterschied zwischen einem dummen und einem geistreichen Menschen, zwischen Guten und Bösen?«
    »O ja! wie zwischen einem gesunden und einem kranken Menschen. Die Lungen eines Schwindsüchtigen sind nicht in dem gleichen Zustande wie bei Ihnen oder bei mir, obgleich ihr Bau der gleiche ist. Die Gründe gewisser physischer Krankheiten kennen wir annähernd; was die moralischen Krankheiten betrifft, so kommen sie von schlechter Erziehung, von all den verschiedenen Dummheiten her, womit man uns die Köpfe vollpfropft, mit einem Wort, von dem unvernünftigen Zustand unseres sozialen Rechts. Reformieren Sie die Gesellschaft, und es gibt keine Krankheiten mehr!«
    Bazaroff sprach diese Worte mit einem Ausdruck, als wollte er sagen: glauben Sie mir oder nicht, das ist mir vollkommen gleichgültig. Er fuhr sich mit seinen langen Fingern langsam durch den Bart, und seine Blicke schweiften von einer Seite des Zimmers auf die andere.
    »Und Sie glauben,« nahm Frau Odinzoff das Wort, »daß, wenn die Gesellschaft reformiert ist, es weder Dumme noch Böse mehr geben wird?«
    »Das ist jedenfalls sicher, daß es, wenn die Gesellschaft einmal vernünftig organisiert ist, vollkommen gleich sein wird, ob ein Mensch dumm oder gescheit, gut oder böse ist.«
    »Ja, ich verstehe; sie werden alle die gleiche Milz haben.«
    »Ganz richtig, Madame.«
    Frau Odinzoff kehrte sich zu Arkad herum.
    »Was denken Sie davon?« fragte sie ihn.
    »Ich teile Eugens Meinung,« erwiderte dieser.
    Katia sah ihn von unten herauf an.
    »Sie setzen mich in Erstaunen, meine Herren,« sagte Frau Odinzoff; »aber wir werden auf all das zurückkommen. Ich erwarte meine Tante, die zum Tee kommt, man muß die alten Leute schonen.«
    Anna Sergejewnas Tante, die Fürstin N…, eine kleine, hagere Alte mit ganz vertrocknetem Gesicht und strengen, starren Augen, trat ins Zimmer, grüßte die beiden jungen Männer kaum und ließ sich in einem weiten Samtfauteuil nieder, der ausschließlich für sie bestimmt war. Katia setzte ihr eine Fußbank unter die Füße; die Alte dankte nicht einmal mit dem Blick; sie bewegte ein wenig die Hände unter dem gelben Schal, der ihren dürren Leib beinahe ganz bedeckte. Die Fürstin liebte das Gelb; sie hatte auch goldgelbe Bänder auf der Haube.
    »Wie hast du geschlafen, Tante?« fragte Frau Odinzoff mit erzwungener Freundlichkeit.
    »Der Hund ist noch da,« antwortete die Alte mürrisch; und als sie bemerkte, daß Fifi ängstlich ein paar Schritte auf sie zu tat, schrie sie: »Geh fort, geh fort!«
    Katia rief Fifi und öffnete die Tür. Der Hund sprang auf ihren Ruf lustig herbei, da er glaubte, es handle sich um einen Spaziergang; als er sich aber vor der Tür draußen allein sah, fing er an zu scharren und zu kläffen. Die Fürstin runzelte die Stirn; Katia stand im Begriff, hinauszugehen …
    »Der Tee wird fertig sein,« sagte Frau Odinzoff; »kommen Sie, meine Herren! Tante, willst du zum Tee kommen?«
    Die Fürstin erhob sich schweigend und trat zuerst in den Speisesaal. Ein kleiner Bedienter in Kosakentracht schob mit Geräusch einen mit Kissen belegten Lehnstuhl an die Tafel, und die Fürstin nahm darin Platz; Katia, deren Amt es war, den Tee einzuschenken, bediente sie zuerst in einer mit ihrem Wappen geschmückten Tasse. Die Alte versüßte ihren Tee mit Honig (sie hätte geglaubt, eine Sünde zu begehen, wenn sie Zucker dazu genommen hätte, und zudem war ihrer Ansicht nach der Zucker zu teuer: doch kostete sie

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