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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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ganz im Irrtum. Er hatte auf Frau Odinzoffs Phantasie Eindruck gemacht; er beschäftigte sie sehr. Nicht bloß, daß sie sich fern von ihm langweilte oder ihn mit Ungeduld erwartete, sondern seine Ankunft belebte sie plötzlich, sie war gern mit ihm allein und hatte Gefallen an seiner Unterhaltung, selbst wenn er ihr widersprach oder gegen ihre eleganten Gewohnheiten und Neigungen verstieß. Sie schien sich selber dadurch kennen lernen zu wollen, daß sie ihn auf die Probe stellte.
    Eines Tages, als er im Garten mit ihr spazierenging, kündigte er ihr kurz und barsch seine nah bevorstehende Abreise auf das Landgut seines Vaters an … Sie erbleichte, als ob sie einen Stich ins Herz erhalten hätte, und ihre Aufregung war so lebhaft, daß sie selbst darüber erstaunt war; sie verlor sich in Gedanken darüber, was das bedeuten könne. Bazaroff hatte ihr von seiner Abreise durchaus nicht deshalb gesprochen, um sie auf die Probe zu stellen und zu sehen, wie sie sich dabei benähme; er war nicht der Mann, um jemals zu solchen Mitteln, zu Lügen, seine Zuflucht zu nehmen. Der Verwalter seines Vaters, sein ehemaliger Gouverneur Timofeitsch, hatte ihn frühmorgens besucht. Dieser Timofeitsch, ein gewandter, schlauer Alter, mit gelbschimmernden Haaren, luftgerötetem Gesicht und kleinen tränenden Augen, war unerwartet zu ihm gekommen, in einer Jacke von grobem blauem Tuch mit Ledergürtel und geschmierten Stiefeln.
    »Ah! guten Morgen, Alter!« rief Bazaroff.
    »Guten Morgen, Väterchen Eugen Wassilitsch,« sagte der Greis mit freundlichem Lächeln, das sein ganzes Gesicht mit kleinen Runzeln durchzog.
    »Was führt dich her? Suchst du mich?«
    »Wie könnt Ihr das glauben?« stammelte Timofeitsch (Bazaroffs Vater hatte ihm ausdrücklich befohlen, nicht merken zu lassen, daß er ihn schickte). »Ich hatte für den Herrn Kommissionen in der Stadt zu besorgen, und da ich hörte, daß Ihr da seid, machte ich den kleinen Umweg, um Euer Ehren zu sehen. Ich wäre Euch sonst nicht lästig gefallen!«
    »Geh, lüg nicht!« antwortete Bazaroff. »Das Dorf liegt durchaus nicht auf deinem Weg.« – Timofeitsch wandte sich etwas zur Seite, ohne zu antworten.
    »Ist mein Vater wohl?«
    »Gott Lob und Dank, es geht ihm gut.«
    »Und meine Mutter?«
    »Arina Vlassiewna ebenfalls, Gott sei gelobt.«
    »Sie erwarten mich, nicht wahr?«
    Der Alte neigte seinen Kopf auf die Seite.
    »Ach, Eugen Wassilitsch, wie sollten sie Euch nicht erwarten? Glaubt mir, das Herz blutet einem, wenn man Eure Eltern ansieht …«
    »’s ist, ’s ist gut, keine Schilderungen! sag ihnen, daß ich bald komme!«
    »Ich werde nicht ermangeln,« antwortete Timofeitsch mit einem Seufzer. Vor dem Hause zog er seine Mütze mit beiden Händen über die Ohren, stieg auf ein kleines Fuhrwerk, das er vor dem Tore gelassen hatte, und fuhr in kurzem Trab davon, aber nicht in der Richtung der Stadt.
    Am Abend desselben Tages saß Frau Odinzoff mit Bazaroff im Salon, während Arkad auf und ab ging und Katia zuhörte, die Klavier spielte. Die Fürstin war auf ihr Zimmer gegangen; sie konnte die Besuche nicht leiden, und namentlich nicht diese hergelaufenen Burschen neuesten Datums, wie sie sie nannte. Solange sie sich im Salon befand, war ihre Laune noch erträglich; aber vor ihrer Kammerfrau überließ sie sich solchen Zornausbrüchen, daß ihre Haube und ihre Haartour auf dem Kopfe tanzten. Frau Odinzoff wußte es.
    »Wie können Sie daran denken, abzureisen?« sagte sie zu Bazaroff; »und Ihr Versprechen?«
    Bazaroff zitterte …
    »Welches Versprechen?«
    »Haben Sie’s vergessen? Sie wollten mich ein wenig in der Chemie unterrichten.«
    »Unglücklicherweise erwartet mich mein Vater. Ich kann unmöglich länger zögern. Übrigens brauchen Sie ja nur Pelouse und Fremys ›Anfangsgründe der Chemie‹ zu lesen, das ist ein gutes Buch und leicht zu verstehen. Sie werden dort alles finden, was Sie wissen wollen.«
    »Sie haben mir aber doch vor wenigen Tagen selbst gesagt, daß ein Buch nie an die Stelle … ich erinnere mich nicht mehr des Ausdrucks, dessen Sie sich bedient haben, aber Sie wissen schon, was ich sagen will …; nicht wahr?«
    »Wie soll ichs machen?« antwortete Bazaroff.
    »Warum abreisen?« fragte Frau Odinzoff mit gedämpfter Stimme.
    Er sah sie an, sie lag zurückgelehnt in ihrem Sessel, die bis zum Ellenbogen bloßen Arme über die Brust gekreuzt. Das Licht der mit einem Schirm von ausgeschnittenem Papier bedeckten Lampe machte sie noch bleicher. Ein

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