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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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bescheiden, sich nicht für würdig zu halten, Frau Odinzoff zu beschäftigen; er kam aus der Fassung, wenn er mit ihr allein war, und wußte ihr nichts zu sagen; Arkad war zu jung für sie. Bei Katia dagegen fühlte er sich ganz behaglich; er behandelte sie mit Nachsicht, wehrte ihr nicht, ihm die Eindrücke mitzuteilen, welche Musik, Romane, Gedichte und andere »Albernheiten« auf sie machten, ohne zu bemerken oder sich gestehen zu wollen, daß diese »Albernheiten« ihn selber auch beschäftigten. Katia ihrerseits wehrte ihm nicht, den Melancholischen zu spielen. Arkad war es in Katias, Frau Odinzoff in Bazaroffs Gesellschaft wohl … und deshalb trennten sich, wenn alle vier zusammentrafen, die beiden Paare gewöhnlich nach wenigen Augenblicken wieder, und jedes ging, besonders auf den Spaziergängen, seiner Wege. Katia betete die Natur an, und Arkad liebte sie auch, obgleich ers nicht zu gestehen wagte; Frau Odinzoff war ziemlich gleichgültig dagegen, ganz so wie Bazaroff. Dies fast beständige Getrenntsein der beiden Freunde hatte zur Folge, daß ihr Verhältnis etwas von der früheren Innigkeit verlor. Bazaroff sprach mit Arkad nicht mehr von Frau Odinzoff und kritisierte sogar ihre »aristokratischen Manieren« nicht mehr; er fuhr fort, Katia zu loben, und riet Arkad nur, die sentimentale Richtung, die er an ihr bemerkte, etwas zu mäßigen; aber sein Lob war kurz, sein Rat etwas trocken; er unterhielt sich mit Arkad viel seltener als ehedem … er vermied ihn sogar; es schien fast, als schäme er sich vor ihm … Arkad bemerkte das alles ganz wohl; er vertraute es aber niemand.
    Der wahre Grund dieser ganzen Veränderung war das Gefühl, welches Frau Odinzoff Bazaroff eingeflößt hatte, ein Gefühl, das ihn quälte und rasend machte, wogegen er sich aber mit verächtlichem Lächeln und zynischen Schimpfworten verwahrt haben würde, wenn sichs jemand hätte beikommen lassen, auch nur von ferne darauf anzuspielen. Bazaroff liebte die Weiber und wußte die Schönheit zu schätzen, aber er erklärte die ideale oder, wie ers hieß, romantische Liebe für eine unverzeihliche Narrheit, für eine Dummheit, und stellte die ritterlichen Gefühle mit physischen Krankheiten und Mißbildungen so ziemlich auf eine Stufe. Oft drückte er sein Erstaunen darüber aus, daß man den Ritter Toggenburg samt allen Minnesängern und Troubadours nicht ins Narrenhaus gesperrt habe … »Behagt euch ein Weib,« sagte er, »so sucht zu eurem Zweck zu kommen; weist sie euch ab, so lasset sie in Frieden und wendet euch woanders hin; die Erde ist groß genug.« Frau Odinzoff gefiel ihm; die Gerüchte, die über sie umliefen, ihr freies und unabhängiges Wesen, das Wohlwollen, das sie ihm bezeigte, alles schien wie gemacht, ihn zu ermutigen; aber er merkte bald, daß er mit ihr nicht zum Ziele komme, und doch fühlte er zu seinem großen Erstaunen nicht den Mut, sich woanders hinzuwenden. Sobald er an sie dachte, wallte sein Blut; er wäre leicht mit seinem Blut fertig geworden, aber er empfand noch etwas anderes, was er nie zugegeben, etwas, worüber er sich stets lustig gemacht hatte und was seinen Stolz empörte. In seinen Unterhaltungen mit Frau Odinzoff legte er stärker als je seine Verachtung und Geringschätzung für jede Art von Romantik an den Tag, und wenn er mit sich allein war, erkannte er mit finsterm Unmut, daß sich die Romantik seiner selbst bemächtigt hatte. Er floh in die Wälder, durch lief sie im Sturmschritt, brach die Zweige, die ihm in den Weg kamen, und murmelte Verwünschungen über sich und über sie; ein andermal legte er sich in einen Heuschober, schloß die Augen mit Gewalt und versuchte, sich zum Schlafen zu zwingen, was ihm natürlich nicht immer gelang. Er durfte sich nur vorstellen, daß diese keuschen Arme eines Tages seinen Hals umschlingen, diese stolzen Lippen seine Küsse erwidern, diese intelligenten Augen mit Zärtlichkeit, ja mit Zärtlichkeit auf den seinen ruhen würden … so fühlte er sich vom Schwindel ergriffen, und er vergaß sich einen Augenblick, bis der Unmut von neuem in seinem ganzen Wesen ausbrach.
    Er ertappte sich selbst über weibischen Gedanken, als ob der Böse ihn versuchen wollte. Bisweilen schien es ihm, daß mit Frau Odinzoff eine Veränderung vorgegangen sei, daß ihr Gesicht einen andern Ausdruck habe, daß vielleicht … Aber dann stampfte er plötzlich mit dem Fuß auf den Boden oder bedrohte sich zähneknirschend mit der eigenen Faust.
    Dennoch war Bazaroff nicht

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