Vaeter und Soehne
langes weißes Kleid umhüllte sie mit kleinen weichen Falten; kaum sah man die Spitzen ihrer Füße, welche sie ebenfalls übereinandergeschlagen hatte.
»Und warum soll ich bleiben?« antwortete Bazaroff.
Frau Odinzoff wandte ein wenig den Kopf.
»Wie, warum? Gefällt es Ihnen hier nicht? Denken Sie, daß man Sie hier nicht vermissen wird?«
»Ich zweifle.«
»Sie haben unrecht, so zu denken,« antwortete Frau Odinzoff nach kurzem Schweigen. »Übrigens glaube ich Ihnen nicht. Sie können das unmöglich im Ernste meinen.« – Bazaroff blieb immer unbeweglich. – »Eugen Wassilitsch, warum antworten Sie nicht?«
»Was soll ich Ihnen sagen? Niemand ist wert, daß man ihn vermißt, und ich noch weniger als ein anderer.«
»Warum das?«
»Ich bin ein nüchterner, uninteressanter Mensch, ich verstehe nicht, liebenswürdig zu sein.«
»Sie wollen Komplimente haben?«
»Das ist nicht meine Art; wissen Sie nicht selber, daß die elegante Seite des Lebens, gerade die, auf welche Sie so großen Wert legen, mir fremd ist?«
Frau Odinzoff biß in ihr Taschentuch.
»Denken Sie, was Sie wollen, aber ich werde mich langweilen, wenn Sie fort sind.«
»Arkad bleibt,« sagte Bazaroff. Frau Odinzoff zuckte ein wenig die Achseln.
»Ich werde mich langweilen,« wiederholte sie.
»Wahrhaftig? Nun, Sie werden sich nur kurze Zeit langweilen.«
»Woraus schließen Sie das?«
»Sie haben mir selbst gesagt, daß, um sich gelangweilt zu fühlen, Sie in Ihren Gewohnheiten gestört werden müßten. Ihr Leben ist so vollkommen geregelt, daß es weder der Langeweile, noch dem Kummer, noch sonst einem schmerzlichen Gefühl Raum gibt.«
»Sie finden, daß ich ganz … oder wenigstens, daß mein Leben sehr geregelt und geordnet ist?«
»Gewiß! Da wird es z.B. in wenig Minuten zehn Uhr schlagen, und ich weiß zum voraus, daß Sie mich dann wegschicken.«
»Nein, ich werde Sie nicht wegschicken, Sie können bleiben. Öffnen Sie das Fenster, es scheint mir zum Ersticken heiß.«
Bazaroff stand auf und öffnete das Fenster. Es ging plötzlich und mit Geräusch auf. Er hatte nicht gedacht, daß es sich so leicht öffnen würde, denn seine Hände zitterten. Die weiche, laue Nacht mit ihrem dunkeln Himmel wurde sichtbar, und das leise Rauschen der Bäume mischte sich mit dem stärkenden Hauch einer frischen, reinen Luft.
»Lassen Sie den Vorhang herab und setzen Sie sich,« fuhr Frau Odinzoff fort, »ich möchte vor Ihrer Abreise mit Ihnen plaudern. Erzählen Sie mir etwas aus Ihrem Leben; Sie sprechen nie von sich selbst.«
»Ich versuche, von nützlichen Dingen mit Ihnen zu sprechen.«
»Sie sind bescheiden … indessen möchte ich gerne etwas von Ihnen, Ihrer Familie und Ihrem Vater hören, dem zulieb Sie uns verlassen wollen.«
»Warum sagt sie mir dies alles?« fragte sich Bazaroff. »Das alles«, setzte er laut hinzu, »würde Sie sehr wenig interessieren. Gerade Sie; wir sind kleine Leute.«
»Ich bin also Ihrer Ansicht nach eine Aristokratin?«
Bazaroff blickte Frau Odinzoff an.
»Ja,« sagte er mit starkem Nachdruck.
Sie lächelte.
»Ich, sehe, Sie kennen mich schlecht,« erwiderte sie; »obgleich Sie behaupten, daß alle Naturen gleich sind, und daß man sich nicht die Mühe zu geben brauche, sie einzeln zu studieren. Ich erzähle Ihnen vielleicht einmal mein Leben … aber zuerst müssen Sie mir das Ihrige erzählen.«
»Sie sagen, ich kenne Sie schlecht,« antwortete Bazaroff. »Das ist möglich; vielleicht ist jeder Mensch wirklich ein Rätsel. Um z.B. von Ihnen zu sprechen, so fliehen Sie die Gesellschaft, sie ermüdet Sie; und doch laden Sie sich zwei Studenten ein. Warum wohnen Sie, schön und gescheit wie Sie sind, auf dem Lande?«
»Wie, was haben Sie da gesagt?« erwiderte Frau Odinzoff lebhaft, »ich bin … schön …«
Bazaroff zog die Brauen zusammen.
»Das tut nichts zur Sache,« antwortete er nicht ohne Verwirrung, »ich wollte sagen, ich begreife nicht, warum Sie Ihren Wohnsitz auf dem Lande aufgeschlagen haben.«
»Sie begreifen es nicht, und doch erklären Sie sichs auf die eine oder andere Art?«
»Ja, ich nehme an, daß Sie auf der Stelle bleiben, weil Sie verwöhnt sind, weil Sie den Komfort lieben und weil Ihnen alles übrige höchst gleichgültig ist.«
Frau Odinzoff lächelte von neuem.
»Sie wollen also durchaus nicht zugeben, daß ich fähig sei, mich von meiner Einbildungskraft leiten zu lassen?«
»Aus Neugierde vielleicht,« antwortete Bazaroff, indem er sie von unten herauf
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