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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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sein werden. Ich bin gewiß, daß Ihre, wie soll ich sagen, – Ihre Starrheit, Ihre Verschlossenheit auf die Dauer schwinden wird.«
    »Sie finden mich also verschlossen … oder wie doch? starr.«
    »Ja.«
    Bazaroff stand auf und trat ans Fenster.
    »Und Sie wollen die Beweggründe dieser Verschlossenheit kennen lernen, Sie möchten wissen, was in mir vorgeht?«
    »Ja,« antwortete Frau Odinzoff mit einem Schrecken, über den sie sich noch keine Rechenschaft gab.
    »Und Sie wollen nicht böse werden?«
    »Nein!«
    »Nein?« Bazaroff drehte ihr den Rücken. – »So wissen Sie denn, daß ich Sie unvernünftig, bis zum Wahnsinn liebe … das ists, was Sie mich Ihnen zu sagen zwingen.«
    Frau Odinzoff streckte die Hände aus, und Bazaroff drückte seine Stirne an die Fensterscheibe. Er erstickte fast, ein krampfhaftes Zittern durchlief alle seine Glieder, aber es war weder die Aufregung, wie sie die Schüchternheit der Jugend hervorruft, noch der süße Schrecken, den eine erste Liebeserklärung erzeugt; es war die Leidenschaft, die in ihm kämpfte, jene starke, drückende Leidenschaft, die der Bosheit gleicht und vielleicht nicht weit davon entfernt ist … Frau Odinzoff empfand Furcht und Mitleid zugleich.
    »Eugen Wassilitsch!« sagte sie, und in ihrer Stimme verriet sich eine unwillkürliche Zärtlichkeit.
    Er kehrte sich rasch um, warf ihr einen verzehrenden Blick zu und zog sie, ihre beiden Hände mit Macht ergreifend, an seine Brust.
    Sie konnte sich ihm nicht sogleich entwinden … Einige Augenblicke nachher hatte sie sich in die entlegenste Ecke des Zimmers geflüchtet. Er stürzte auf sie los …
    »Sie haben mich nicht verstanden!« stieß sie mit leiser, vor Schreck erstarrter Stimme hervor. Einen Schritt weiter, und sie hätte wahrscheinlich einen Schrei ausgestoßen; ihre ganze Haltung kündete es an. Bazaroff biß sich in die Lippen und verließ das Zimmer.
    Eine halbe Stunde später übergab ein Stubenmädchen Anna Sergejewna ein Billett von Bazaroff. Es enthielt nur eine Zeile: »Muß ich heute noch abreisen, oder kann ich bis morgen bleiben?« Frau Odinzoff antwortete: »Warum abreisen? ich habe Sie nicht verstanden, und Sie haben mich nicht verstanden.« Indem sie diese Worte schrieb, sagte sie zu sich: »Ich habe mich in der Tat selber nicht verstanden.«
    Sie zeigte sich erst beim Mittagessen wieder und ging den ganzen Morgen mit gekreuzten Armen in ihrem Zimmer auf und ab, blieb von Zeit zu Zeit bald vor dem Spiegel, bald vor dem Fenster stehen und strich beständig mit einem Taschentuch über den Hals; sie glaubte da einen glühenden Flecken zu spüren. Sie fragte sich, warum sie Bazaroff, wie er selbst sagte, »gezwungen« habe, sich zu erklären, und ob sie es nicht schon längst geahnt habe … »Ich bin schuldig,« sagte sie mit lauter Stimme, »aber ich kann ja das alles nicht vorhersehen.« Sie wurde nachdenklich und errötete in der Erinnerung an den beinahe wilden Ausdruck, den Bazaroffs Gesicht angenommen hatte, als er auf sie losstürzte. »Oder doch …« sagte sie plötzlich wieder, indem sie stehenblieb und ihre Locken schüttelte. Als sie im Spiegel den leicht zurückgesunkenen Kopf, das geheimnisvolle Lächeln in den halbgeschlossenen Augen und auf den halboffenen Lippen bemerkte, schien ihr das Bild etwas zu sagen, was sie tief bewegte.
    »Nein, nein,« sagte sie endlich, »Gott weiß, wohin das führen würde; mit dergleichen soll man nicht spaßen. Die Ruhe ist doch noch das Beste, was es auf der Welt gibt.«
    Ihre Ruhe war nicht gestört, aber sie wurde traurig und vergoß sogar einige Tränen, ohne recht zu wissen warum. Es war nicht Scham über die Demütigung, was sie weinen machte, sie fühlte sich nicht einmal gedemütigt, sie fühlte sich vielmehr schuldig. Unter dem Einfluß verschiedener unklarer Gefühle, des Bewußtseins ihres verrauschenden Lebens und des Verlangens nach etwas Neuem war sie bis an eine gewisse Grenze vorgegangen, und als sie über diese hinaus noch einen Blick warf, hatte sie drüben zwar keinen Abgrund, aber die Leere oder die Häßlichkeit gewahrt.

Neunzehntes Kapitel.

    Obgleich sich Frau Odinzoff sehr in der Gewalt hatte und über viele Vorurteile erhaben war, konnte sie doch ein unbehagliches Gefühl nicht ganz unterdrücken, als sie im Speisesaal erscheinen mußte. Übrigens ging die Mahlzeit ohne Zwischenfall vorüber. Porphyr Platonitsch erschien und erzählte verschiedene Anekdoten. Er kam aus der Stadt zurück. Unter anderen Neuigkeiten

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