Vaeter und Soehne
verneigte sich tief.
Die Abreise fand nach dem Frühstück statt. Beim Abschied gab Frau Odinzoff Bazaroff die Hand und sagte:
»Auf Wiedersehen! Nicht wahr?«
»Wie Sie es wünschen!«
»In diesem Fall sehen wir uns wieder.«
Arkad ging zuerst die Treppe hinab und nahm in Sitnikoffs Wagen Platz. Der Haushofmeister half ihm ehrerbietig einsteigen, er aber hatte nicht übel Lust, ihn zu prügeln oder zu weinen. Bazaroff setzte sich in den Tarantaß. Als sie in dem Dörfchen Koklow angekommen waren, wartete Arkad, bis der Wirt Fedote seine Pferde an den Tarantaß gespannt hatte; dann näherte er sich dem Fuhrwerk und sagte mit der früheren Herzlichkeit zu Bazaroff:
»Eugen, nimm mich mit, ich habe Lust, dich zu begleiten.«
»Steig ein,« murmelte Bazaroff.
Als Sitnikoff, der pfeifend um den Wagen herumging, dieser Worte hörte, sperrte er vor Erstaunen den Mund weit auf; Arkad nahm ruhig seinen Koffer, setzte sich neben Bazaroff, grüßte Sitnikoff höflich und rief: »Fort!«
Die Pferde zogen an, und der Tarantaß war bald aus dem Gesicht verschwunden … Sitnikoff, der sich von seinem Erstaunen gar nicht erholen konnte, warf dem Kutscher, der dem Laufpferd eben leicht die Peitsche gab, einen grimmigen Blick zu, sprang in den Wagen, schrie zwei vorübergehenden Bauern zu: »Setzt die Hüte auf, ihr Esel!« und fuhr nach der Stadt zurück, wo er sehr spät ankam. Andern Tags aber, im Salon der Madame Kukschin, behandelte er »die beiden hochmütigen, groben Burschen«, die er soeben verlassen, wie’s ihr Benehmen verdiente.
Arkad drückte Bazaroff kräftig die Hand, als er sich neben ihn setzte, und sprach lange nichts. Bazaroff schien diesen Händedruck und dies Schweigen zu verstehen. Die vorhergehende Nacht hatte er weder geschlafen noch geruht; seit mehreren Tagen aß er auch beinahe nichts mehr. Sein finsteres, eingefallenes Gesicht zeichnete sich scharf ab unter dem Schirm seiner Reisemütze.
»Nun, Freund,« sagte er endlich, »gib mir eine Zigarre … Ich muß eine belegte Zunge haben? Sieh mal!«
»Ja,« antwortete Arkad.
»Dacht ichs doch … Deshalb schmeckt mir auch die Zigarre nicht. Die Maschine ist in Unordnung.«
»In der Tat, du hast dich in letzter Zeit sehr verändert,« meinte Arkad.
»Hat nichts zu sagen, ich werde mich schon wieder erholen. Nur eins beunruhigt mich, die Zärtlichkeit meiner Mutter. Wenn man sich nicht den Bauch vollpfropft und zehnmal des Tages ißt, dann muß man sehen, wie sie sich quält. Mein Vater ist nicht so, gottlob! Er ist in der Welt herumgekommen, er ist, was man so nennt, gesiebt und gebeutelt.«
»Unmöglich, zu rauchen!« sagte er ärgerlich und warf seine Zigarre mitten in den Straßenstaub.
»Euer Gut ist etwa fünfundzwanzig Werst von hier?« fragte Arkad.
»Ja! Da ist übrigens ein Philosoph, ders uns sagen kann.« Dabei zeigte er auf den Bauern, der auf dem Bock saß und dem Fedote seine Pferde anvertraut hatte.
Der Bauer beschränkte sich zu antworten: »Wer weiß? die Werste sind hier nicht gemessen,« dann schien er wieder halblaut mit seinem Gabelpferde zu brummen, das den Kopf schüttelte und sich in den Zügel legte.
»Ja! Ja!« sagte Bazaroff, »das sollte uns zur Lehre dienen, mein junger Freund; ich glaube wahrhaftig, der Teufel hat die Hand im Spiel. Der Mensch hängt an einem Fädchen, jeden Augenblick kann sich ein Abgrund unter seinen Füßen öffnen, und an dieser traurigen Aussicht hat er nicht genug, er ersinnt noch Gott weiß welche Dummheiten, die sein Leben noch elender machen.«
»Worauf spielst du an?« fragte Arkad.
»Auf nichts, wie ich auch ohne alle Beziehung sage, daß wir uns beide wie rechte Esel benommen haben. Übrigens habe ich in unserer Klinik schon öfters bemerkt, daß die Kranken, welche ihr Zustand ungeduldig machte, stets davonkamen.«
»Ich verstehe dich nicht ganz,« erwiderte Arkad, »mir scheint, du hast keinen Grund gehabt, dich zu beklagen.«
»Weil du mich nicht recht verstehst, will ich dirs folgendermaßen erklären: Meiner Meinung nach tut man besser, Steine auf der Straße zu klopfen, als einer Frau auch nur die Spitze vom kleinen Finger zu geben. All das ist …« Bazaroff war im Begriff, seinen Lieblingsausdruck »Romantik« zu gebrauchen, aber er hielt an sich. – »Du wirst mir jetzt nicht glauben,« fuhr er fort, »und doch ists vollkommen wahr, was ich dir sage. Wir sind beide zusammen in Weibergesellschaft geraten, und dieses Leben schien uns sehr behaglich; aber es ist ebenso
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