Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
Vom Netzwerk:
sein Vater sich entfernt hatte. »Er ist so merkwürdig wie der deine, nur in anderer Art. Er schwatzt ein wenig zuviel.«
    »Deine Mutter scheint auch eine vortreffliche Frau zu sein,« antwortete Arkad.
    »Ja, sie ist nicht bösartig. Du sollst sehen, was für Mittagessen sie uns auftragen wird.«
    »Man erwartete Euch heute nicht, Väterchen, wir haben kein Fleisch,« sagte Timofeitsch, der eben Bazaroffs Koffer brachte.
    »Man wird sich ohne Fleisch behelfen; wo nichts ist, da hat der Kaiser sein Recht verloren. Armut ist keine Sünde, sagt man.«
    »Wieviel Bauern hat dein Vater,« fragte Arkad.
    »Das Gut ist nicht sein Eigentum, es gehört meiner Mutter, und ich glaube, daß es höchstens so an fünfzehn Seelen hat.«
    »Zweiundzwanzig, mit Erlaubnis,« sagte Timofeitsch in gekränktem Ton.
    Das Klappen der Pantoffeln ließ sich aufs neue vernehmen und Wassili Iwanowitsch erschien wieder im Kabinett.
    »Noch einige Minuten,« rief er triumphierend »und das Zimmer wird bereit sein, Sie zu empfangen, Arkad … Nikolaitsch …? das ist doch, wenn ich nicht irre, Ihr werter Name? Und dieser hier wird Sie bedienen,« fügte er hinzu und wies auf einen Diener, der mit ihm ins Zimmer getreten war, einen jungen Burschen mit kurzgeschnittenen Haaren, in einer blauen Bluse mit Löchern in den Ellenbogen und mit Stiefeln, die nicht ihm gehörten, an den Füßen. – »Er heißt Fedka. Haben Sie Nachsicht mit uns, ich muß Sie wiederholt darum bitten, obgleich mirs mein Sohn verboten hat. Übrigens versteht der Bursche sehr gut eine Pfeife zu stopfen. Sie rauchen doch?«
    »Ich rauche meist Zigarren,« antwortete Arkad.
    »Und Sie tun sehr wohl daran. Ich ziehe auch die Zigarre vor, aber es hält außerordentlich schwer, sich in dieser von der Hauptstadt so weit entfernten Provinz gute zu verschaffen.«
    »Hör doch auf mit den Klageliedern,« sagte Bazaroff, »setz dich lieber aufs Sofa und laß mich dich betrachten.«
    Wassili Iwanowitsch setzte sich lachend aufs Sofa. Er glich seinem Sohn sehr; nur war seine Stirn niedriger und schmäler, sein Mund etwas breiter, auch hatte er die Gewohnheit, fortwährend mit den Achseln zu zucken, als ob der Ärmelausschnitt seines Rockes zu eng wäre; er blinzelte mit den Augen, hustete und spielte anhaltend mit den Fingern, während sein Sohn sich durch eine gewisse sorglose Unbeweglichkeit auszeichnete.
    »Klagelieder!« versetzte Wassili Iwanowitsch. »Bilde dir nicht ein, daß ich das Mitleid unseres Gastes erregen will. Namentlich fällt mirs nicht ein, ihm zu verstehen geben zu wollen, daß wir hier darauf beschränkt sind, in einer Wüste zu leben. Ja ich denke im Gegenteil, daß es für einen denkenden Menschen gar keine Wüste gibt. Auf alle Fälle tu ich mein möglichstes, kein Moos auf mir wachsen zu lassen, wie man zu sagen pflegt, nicht hinter dem Jahrhundert zurückzubleiben.«
    Wassili Iwanowitsch zog ein nagelneues, gelbseidenes Taschentuch heraus, das er sich geholt hatte, als er auf Arkads Zimmer ging, und fuhr, dasselbe in der Luft schwenkend, fort:
    »Ich will mich zum Beispiel nicht rühmen, daß ich mir meine Bauern zu Dank verpflichtet habe, indem ich ihnen die Hälfte meiner Ländereien abtrat, obgleich mir das bedeutenden Verlust verursacht. Ich hielt es für eine Pflicht, der einfache Menschenverstand befiehlt es, so zu handeln; ich wundere mich, daß nicht alle Grundbesitzer das einsehen. Was ich sagte, bezieht sich auf die Wissenschaften und die Bildung im allgemeinen.«
    »Wahrhaftig, ich sehe, du hast den ›Gesundheitsfreund‹ für das Jahr 1855,« sagte Bazaroff.
    »Ein alter Freund hat ihn mir zum Andenken geschickt,« antwortete Wassili Iwanowitsch rasch.
    »Wir haben aber auch einige Ideen von der Phrenologie, zum Beispiel –« fuhr er, übrigens hauptsächlich zu Arkad gewendet, fort und zeigte auf einen kleinen Gipskopf, der auf dem Schrank stand und oben in eine Menge Felder eingeteilt war – »die Namen Schönlein und Rademacher sind uns nicht unbekannt.«
    »Man glaubt im Gouvernement X… noch an Rademacher?« fragte Bazaroff.
    Wassili Iwanowitsch hustete.
    »Im Gouvernement X…,« wiederholte er. »Ohne Zweifel müßt ihr Herren mehr davon wissen als wir; wir dürfen nicht daran denken, euch einzuholen. Ihr seid bestimmt, uns zu ersetzen. Ja zu meiner Zeit, erinnere ich mich, kamen uns der ›Humeralpatholog‹ Hoffmann oder Browe mit seinem ›Vitalismus‹ sehr spaßig vor, und doch hatten sie zu ihrer Zeit Aufsehen erregt. Irgendein

Weitere Kostenlose Bücher