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Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
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Wirklichkeit diese Veränderung verdanke.«
    »Ich … Sie …« erwiderte Katia.
    »Ich bin nicht mehr der anmaßende Bursche, der ich bei meiner Ankunft hier war,« versetzte Arkad; »nicht umsonst habe ich mein dreiundzwanzigstes Jahr hinter mir. Mein Gedanke ist immer noch, mich der Welt nützlich zu machen und alle meine Kraft der … dem Triumph der Wahrheit zu weihen; ich suche aber mein Ideal nicht mehr da, wo ich es ehemals suchte; es scheint mir … viel näher zu liegen. Bisher verstand ich mich selber nicht, ich befaßte mich mit Problemen, die über meine Kräfte gingen … Endlich sind mir die Augen aufgegangen, dank meinem Gefühl … Ich drücke mich vielleicht nicht ganz klar aus, aber ich hoffe, Sie verstehen mich.«
    Katia antwortete nicht und sah Arkad nicht mehr an.
    »Ich denke,« fuhr er mit erregter Stimme fort, während über seinem Haupte ein Buchfink sein sorgloses Lied in den Zweigen einer Birke sang, »ich denke, daß es Pflicht jedes ehrlichen Mannes ist, sich offen und freimütig in bezug auf die zu zeigen, … auf die, welche … mit einem Wort die, welche ihm teuer sind, und darum … bin ich entschlossen …«
    Hier wurde Arkad von seiner Beredsamkeit im Stich gelassen; er verwickelte sich in seinen Phrasen, verlor die Fassung und mußte innehalten; Katia saß immer mit gesenkten Augen da; sie begriff nicht, wo er hinauswollte, und doch schien sie etwas zu erwarten.
    »Ich sehe voraus, daß ich Sie überrasche,« fuhr Arkad fort, sobald er sich wieder gesammelt hatte, »um so mehr, als dies Gefühl gewissermaßen Bezug … gewissermaßen … wohlverstanden … auf Sie hat. Ich glaube mich zu erinnern, daß Sie mir gestern Mangel an Ernst vorgeworfen haben,« fügte er hinzu mit der Miene eines Mannes, der, in einen Sumpf geraten, fühlt, daß er mit jedem Schritt tiefer einsinkt, und nichtsdestoweniger immer vorwärts geht, in der Hoffnung, rascher wieder herauszukommen. »Diesen Vorwurf macht man oft … jungen Leuten, selbst dann, wenn sie ihn nicht mehr verdienen … und wenn ich mehr Selbstvertrauen hätte …« Komm mir doch zu Hilfe! Komm! dachte Arkad in seiner Verzweiflung; aber Katia rührte sich nicht. »Und wenn ich hoffen könnte …«
    »Wenn ich Ihren Worten Glauben schenken dürfte,« sagte plötzlich neben ihnen Frau Odinzoff mit ihrer ruhigen, klaren Stimme.
    Arkad schwieg augenblicklich, und Katia erbleichte. Ein kleiner Fußpfad führte hart an dem Gebüsch vorüber, das die Halle verbarg; Frau Odinzoff hatte ihn mit Bazaroff eingeschlagen. Sie konnte weder von Katia noch Arkad gesehen werden, diese hörten aber ihre Worte und beinahe ihren Atem. Die Spaziergänger machten noch einige Schritte und blieben wie mit Absicht gerade vor der Halle stehn.
    »Sehen Sie,« fuhr Frau Odinzoff fort, »Sie und ich, wir haben uns getäuscht; keins von uns beiden steht mehr in der ersten Jugend, ich zumal; wir haben gelebt, wir sind beide müde, wir sind, warum soll ichs nicht aussprechen, beide gescheit, wir haben uns erst gegenseitig interessiert, unsere Neugier wurde rege … dann …«
    »Dann hab ich den Dummkopf gemacht,« fiel Bazaroff ein.
    »Sie wissen, daß das nicht der Grund unseres Bruchs war. Das eine ist sicher, daß wir einander nicht nötig hatten; wir hatten zuviel … wie soll ich sagen? zuviel Verwandtes. Wir haben das nicht sogleich eingesehen. Dagegen Arkad …«
    »Den hatten Sie nötig?« fragte Bazaroff.
    »Hören Sie auf, Eugen Wassilitsch! Sie behaupten, ich sei ihm nicht gleichgültig, und in der Tat schien mirs auch immer, daß ich ihm gefiele. Ich weiß, daß ich seine … Tante sein könnte, aber ich will Ihnen nicht verhehlen, daß ich seit einiger Zeit öfters an ihn denke. Seine Jugend und sein natürliches Wesen haben für mich eine gewisse Anziehungskraft.«
    »Einen gewissen Zauber … das ist das Wort, dessen man sich in dergleichen Fällen bedient,« erwiderte Bazaroff mit dumpfer und ruhiger Stimme, der man aber doch die aufsteigende Galle anmerkte. – »Arkad spielte gestern noch den Geheimnisvollen und hat mit mir weder von Ihnen noch von Ihrer Schwester gesprochen, das ist ein ernstes Symptom.«
    »Er ist mit Katia durchaus wie ein Bruder,« sagte Frau Odinzoff, »und das gefällt mir, obgleich ich eine derartige Vertraulichkeit zwischen ihnen nicht zugeben sollte.«
    »Ists die Schwester, die in diesem Augenblick aus Ihnen spricht?« fragte Bazaroff langsam.
    »Gewiß … aber warum bleiben wir stehen? gehen wir weiter. Welch

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