Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vaeter und Soehne

Vaeter und Soehne

Titel: Vaeter und Soehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivan Sergejevich Turgenev
Vom Netzwerk:
Man glaubt am Rand eines Abgrunds hinzuwandeln. Im ersten Augenblick hat man Angst, dann aber fühlt man eine Kühnheit, die uns überrascht. Bleiben Sie!«
    »Ich weiß Ihre Einladung zu schätzen, so sehr wie die gute Meinung, welche Sie von meiner geringen Unterhaltungsgabe haben. Aber ich finde, daß ich schon zu lange mit einer Welt verkehre, die nicht die meine ist. Die fliegenden Fische können sich wohl eine Zeitlang in der Luft halten, schließlich fallen sie aber doch in das Wasser zurück; erlauben Sie mir auch, in mein natürliches Element unterzutauchen.«
    Frau Odinzoff blickte Bazaroff an, ein bitteres Lächeln verzog ihr bleiches Gesicht. »Der hat mich geliebt!« dachte sie und reichte ihm mit der Miene freundlichen Bedauerns die Hand. Aber auch er hatte sie verstanden.
    »Nein!« sagte er, indem er einen Schritt zurücktrat, »obgleich arm, hab ich noch nie ein Almosen angenommen. Leben Sie wohl und gesund!«
    »Ich weiß gewiß, daß wir uns nicht zum letzten Male sehen,« versetzte Frau Odinzoff unwillkürlich bewegt.
    »Was ereignet sich nicht alles in dieser Welt!« antwortete Bazaroff. Damit grüßte er Anna Sergejewna und verließ das Zimmer.
    »Du denkst dir also ein Nest zu bauen?« sagte Bazaroff zu Arkad, während er seinen Koffer packte. »Du hast recht! Das ist ein guter Gedanke. Nur hattest du unrecht mit deiner Hinterhaltigkeit. Ich erwartete, daß du dich ganz woanders hinwenden würdest. Du warst aber vielleicht selber darüber erstaunt?«
    »Ich hab es in der Tat durchaus nicht vermutet, als ich dich verließ,« antwortete Arkad. »Du bist aber nicht ganz ehrlich, wenn du mir sagst: ›Das ist ein guter Gedanke‹; als ob ich deine Ansicht über die Ehe nicht kennte!«
    »Ei, mein Teuerster,« versetzte Bazaroff, »wie sprichst du heute! Siehst du, was ich da mache? Ich habe einen leeren Raum in meinem Koffer entdeckt und stopfe ihn mit Heu aus, so gut ich kann; so muß mans auch mit dem Lebenskoffer machen; man muß ihn mit allem ausfüllen, was einem in die Hände kommt, wenn nur keine leere Stelle drin bleibt. Nimm mirs nicht übel, ich bitte dich; du erinnerst dich wahrscheinlich, wie ich immer von Katharina Sergejewna gedacht habe? Es gibt junge Mädchen bei uns, die für wahre Wunder gelten, einzig deshalb, weil sie bei der richtigen Gelegenheit zu seufzen wissen; aber die deine wird sich durch andere Verdienste Geltung verschaffen, und zwar derart, daß du ihr untertänigster Diener sein wirst. Übrigens ist das ganz in Ordnung.«
    Bazaroff schlug den Deckel des Koffers zu und richtete sich auf.
    »Nun muß ich dir zum Abschied wiederholen – denn wir wollen uns nicht täuschen, wir scheiden für immer, und du mußt davon so gut überzeugt sein wie ich –: Du handelst weise; unser rauhes, trauriges Vagabundenleben paßt nicht für dich. Dir fehlts an Verwegenheit und an Bosheit; aber zum Ersatz ward dir Jugendmut und Jugendfeuer gegeben. Das reicht aber nicht aus für das Werk, an dem wir arbeiten. Und dann kommt ihr Herren vom Adel niemals über eine hochherzige Entrüstung oder eine hochherzige Entsagung hinaus, was nicht viel heißen will. Ihr glaubt, große Männer zu sein, glaubt, auf der Zinne menschlicher Vollkommenheit zu stehen, wenn ihr eure Dienerschaft nicht mehr prügelt, und wir, wir verlangen nichts, als geschlagen zu werden und wiederzuschlagen. Unser Staub würde dir die Augen röten, unser Kot dich beschmutzen. Du bist wahrlich nicht auf unserer Höhe. Du bewunderst dich mit Wohlgefallen, du freust dich, dir selber Vorwürfe machen zu können; aber das ist unsereinem langweilig; wir haben was anderes zu tun, als uns zu bewundern oder Vorwürfe zu machen, wir brauchen andere Mannschaft auf unserm Schiff. Du bist ein vortrefflicher Junge; aber nichtsdestoweniger ein süßes Herrchen, ein liberales Junkerchen und
›volatou‹,
um mit meinem edlen Vater zu reden.«
    »Du sagst mir für immer Lebewohl, Eugen?« versetzte Arkad traurig. »Ist das alles, was du mir zu sagen findest?«
    Bazaroff kratzte sich den Nacken.
    »Ich könnte noch etwas Gefühlvolles hinzusetzen, Arkad, aber ich werde es nicht tun. Das hieße Romantik treiben, Bonbons lutschen. Nimm noch einen guten Rat von mir: Heirate möglichst rasch; richte dir dein Nest gut ein und zeuge viele Kinder! Es werden gewiß Leute von Geist sein, weil sie zu rechter Zeit kommen, nicht wie du und ich. Doch ich sehe, die Pferde sind da … Vorwärts! Ich habe von den andern allen Abschied genommen. Nun!

Weitere Kostenlose Bücher