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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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kurzen Haare waren zerzaust, dunkel an den Wurzeln, die Spitzen gebleicht. Er beugte sich herab und sah ihr eindringlich in die Augen, wobei sein Gesicht das ihre fast berührte.
    Rosie wich einen Schritt zurück. Sams finsterer Blick ging in ein spöttisches Lächeln über. Es hätte sie nicht sonderlich überrascht, wenn seine weißen Zähne sich in Vampirfänge verwandelt hätten. Ihr Herzschlag ging stolpernd, aber sie war zu stolz, sich ihre Angst anmerken zu lassen.
    »Ja, das tue ich tatsächlich«, sagte sie und verschränkte ihre Arme. In ihrem Versuch, Autorität auszustrahlen, hörte sie sich – jedenfalls in ihren Ohren – an wie eine draufgängerische Zwölfjährige.
    »Und was genau ist das?«, fragte Sam.
    Sie richtete sich zu ihren vollen einen Meter achtundfünfzig auf und reckte ihr Kinn vor. »Du hast mir was gestohlen.«
    »Wie bitte?« Er war so dreist, den Beleidigten zu spielen.
    »Du weißt doch, wer ich bin, oder?«
    »Ja, Rosie Fox, ich weiß genau, wer du bist.«
    »Dann tu nicht so, als hättest du es vergessen!« Sie bebte jetzt vor Wut und innerem Aufruhr, der sich über all die Jahre bis zu diesem Moment aufgebaut hatte. »Du hast mir eine Kette mit einem Herzen daran weggenommen. Du hast sie mir vom Hals gerissen. Aber vielleicht hast du ja in all den Jahren so viel Zeug gestohlen, dass du dich wirklich nicht mehr erinnern kannst!«
    »O verdammt«, sagte er. Er verschränkte seine Arme und wandte seinen Blick von ihr ab. »Das ist Jahre her!«
    »Das macht die Sache nicht besser! Sie hat mir gehört!«
    »Genau.« Seine Augen wurden schmal und funkelten amüsiert. »Und seit du neun Jahre alt warst, hast du nichts anderes mehr gemacht, oder? Nur an mich gedacht und auf Rache gesinnt?«
    »Nein«, zischte Rosie durch ihre Zähne. »Es gab bessere Dinge und Leute als dich, an die ich denken konnte.«
    »Kann ich mir vorstellen.«
    Sie sah Sam finster an und in ihr wurde der ganze tief sitzende Hass auf ihn aufgewirbelt, ein Hass, der sich noch verstärkte, weil er es vermochte, solche Reaktionen in ihr auszulösen. Plötzlich seufzte er. »Also gut, hör zu, es tut mir leid. Es war dumm und garstig von mir. Es tut mir leid.«
    Sie saß in der Klemme zwischen ihm und dem dunklen Raum und war sich sicher, dass er sich über sie lustig machte. »Und?«, sagte sie.
    »Was und?«
    »Ich will sie zurück.«
    »Du bist ganz schön hartnäckig.« Sam stieß sich von der Wand ab und schob sich an ihr vorbei. Sie beeilte sich, ihm Platz zu machen, überlegte zu fliehen, befand dann aber, dass sie sich damit ein Armutszeugnis ausstellen würde. Er schlurfte zu einer Kommode und öffnete halbherzig die oberste Schublade. Sie folgte ihm.
    »Und«, sagte er, während er in einem Haufen Socken herumwühlte, »haben deine Leute dich schon aufgeklärt?«
    »Entschuldige mal«, ereiferte sich Rosie, »ich bin vierzehn, keine zehn mehr.«
    Im Halbdunkel schimmerten seine Zähne mit sadistischer Häme. »Ich meine damit nicht den Biologieunterricht. Ich meine Aufklärung darüber, was unser Leben ausmacht.« Er öffnete die nächste Schublade. Sie sah Bücher, eine Schatulle aus dunklem geschnitztem Holz und etwas, das verdächtig nach einem großen Messer in einer schwarzen Lederscheide aussah.
    »Wie, du meinst die elfischen Traditionen?«, erwiderte Rosie ungerührt. »Selbstverständlich. Wir haben immer daran teilgehabt.«
    Sein wissendes Lachen machte sie noch wütender. »Oh, dann weißt du es also noch nicht. Sie werden es dir sagen, wenn du sechzehn wirst. Es ist so eine Art Initiationsritus. Kann ein wenig scheußlich sein, habe ich gehört. Oder auch nicht, da mein Vater die ganze Sache auf Eis gelegt hat.«
    »Wovon zum Teufel sprichst du überhaupt?«
    »Das wirst du schon noch erfahren.«
    »Meine Eltern haben keine Geheimnisse vor uns. Sie behandeln uns wie Erwachsene. Vermutlich steht dir deine Familie nicht so nah, wie das bei uns der Fall ist.«
    Das traf bei ihm den richtigen Nerv. Er funkelte sie an, aus seinen Augen sprach kalter, wütender Hass. »Du weißt überhaupt nichts über uns.«
    »Und ich möchte auch nichts wissen. Gib mir einfach zurück, was mir gehört.«
    »Ich weiß nicht«, sagte er und durchsuchte mit viel Tamtam die Schubladen. »Das ist so lang her. Damit kann Gott weiß was passiert sein.«
    »Was zum Teufel hast du damit angestellt?«, schrie sie. Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nie jemanden geschlagen, jetzt aber große Mühe, nicht nach ihm auszuholen.

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