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Vaethyr: Die andere Welt

Vaethyr: Die andere Welt

Titel: Vaethyr: Die andere Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freda Warrington
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war.
    Er wusste, dass sie ihn richtig einschätzte. Er hatte gern Unheil angerichtet, das Chaos und den schieren boshaften Spaß geliebt, sie von dem von ihr gewählten Weg abzubringen und in die dornige Wildnis zu locken. O ja, sie fallen zu sehen, hatte ihm unglaubliche Schadenfreude bereitet. Doch einen anderen Weg hätte er nicht gekannt, das war die Wahrheit. Freiwillig hätte sie ihm ihre Liebe nie geschenkt, also hatte er sie sich gestohlen. Er war wahrhaftig nicht gut genug für sie – er war grausam, selbstsüchtig, ein Wolf, der sie so lange bedrängt hatte, bis sie nachgab. Und das war das Ergebnis.
    Seine Liebe würde ihr immer nur Schmerz bringen.
    Wenn du etwas bekommst, was du nicht verdient hast , meldete sich beharrlich eine Stimme in seinem Hinterkopf, wie kannst du dann hoffen, es zu behalten? Doch er versuchte diese Stimme zu ignorieren. Seine süße dunkelrote Rose lag warm in seinen Armen. Und fürs Erste kam es nur darauf an.

~  18  ~
Den Spiegel küssen
    Rosie wurde wach, weil sie zu ersticken glaubte. Sie war in einem merkwürdigen Traum gefangen und verfolgte eine Eule, deren Flug sie nach Erklettern eines Baums zu einem Nest hoch oben in den Ästen führte. In diesem Nest fand sie einen Seidenbeutel mit einem Kästchen aus Rosenholz darin, und in dem Kästchen lag ein Ei aus blassem Rosenquarz. Auch die Grüne Frau tauchte in diesem Traum auf und raunte ihr eine unverständliche Geschichte zu. Rosie stahl das Ei und ließ es in ihrer Tasche verschwinden, bevor sie aufwachte.
    Jemand hatte ihren Namen gerufen. Sie entdeckte, dass sie im Dunkeln unter dicken, weichen Decken lag, hatte aber kein Gefühl für Ort und Zeit, wusste jedoch, dass etwas Schlimmes geschehen war … Dann fiel es ihr wieder ein. Elysium. Lucas. Sie setzte sich auf und warf einen Blick auf ihre Uhr. Die Beleuchtung funktionierte, aber die Zeiger waren stehen geblieben. »Sam?«
    »Was ist denn, Liebste?«, meldete er sich verschlafen neben ihr.
    »Wie spät ist es? Sind wir hier seit zwei Stunden oder seit zwei Tagen?«
    »Ich glaube nicht, dass Zeit hier von Bedeutung ist. Jedenfalls nicht auf vernünftige Weise.«
    Der Ruf ertönte erneut, diesmal ganz deutlich. »Sam, Rosie? Es ist hell.«
    Er setzte sich auf, strich ihr Haar glatt und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Da hast du die Antwort.«
    Der Lichtschein, der sich über den Durchgang ergoss, hatte etwas Fließendes und war so unheimlich wie die Tiefen des Ozeans. Dämmerung in Elysium. Ginny saß vor dem niedrigen Tisch und hatte bereits fürs Frühstück aufgedeckt. In ihrem stechpalmengrünen Kleid, zu dem sie Bernsteinschnüre um ihren Hals trug, saß sie in aufrechter Pose wie eine Tänzerin da, das Haar hing ihr wirr über den Rücken.
    »Seid ihr ausgeruht?«, fragte sie.
    »Ja danke«, antwortete Rosie, »nur ein wenig … durcheinander.«
    »Das ist normal«, meinte Ginny lächelnd.
    »Das war aber nur eine Nacht, oder?«, hakte Sam nach.
    »Eine Nacht«, erwiderte sie. »Aber Nacht und Tag fallen nicht immer so, wie man das erwartet.« Sie streckte ihm ihre Hand entgegen.
    »Gut, aber das ist vor dem Frühstück zu hintergründig«, sagte er und ergriff dabei ihre Hand und küsste ihr die Wange. Rosie wusste noch immer nicht recht, wie sie sich angesichts ihrer Wiedervereinigung verhalten sollte. Das war so intensiv und privat – und das Wissen um all die verlorene Zeit, die zwischen ihnen lag, überwältigend. »Habe ich dir tatsächlich gestern Abend diesen ganzen Mist erzählt?«
    »Ja, mein Lieber«, sagte Ginny trocken. »Hast du.«
    »Na ja, schön ist es nicht, aber es ist die Wahrheit.«
    Ginny senkte ihren Blick auf das Brot, das sie zwischen ihren langen Fingernägeln auseinanderriss. »Na los, bedient euch.«
    »Wo ist Faith?«, fragte Rosie, als sie sich setzten.
    »Die schläft noch. Ich habe die beiden ins Bett gebracht. Keine Sorge, sie werden eine Weile hierbleiben, bis ihr euren Bruder gefunden habt.«
    »Danke«, sagte Rosie leise. »Da bin ich wirklich dankbar. Sie hatten so eine schlimme Zeit.« Als ihr Blick auf das Essen auf dem Tisch fiel – Obst, Brot, Eier –, erfasste sie blitzartig und intuitiv, was es mit dem Mythos von Feennahrung auf sich hatte. Eine einzige Mahlzeit band einen noch nicht an die Anderswelt – war man aber jahrelang deren Nahrung, Wasser und Luft ausgesetzt, blieb das nicht ohne Wirkung, denn die ätherische Substanz der Spirale ergriff nach und nach Besitz von einem.
    »Ich habe über alles

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