Vaethyr: Die andere Welt
Fetzen abreißen konnte, um sich damit abzutrocknen. Zitternd zog Rosie sich rasch wieder an.
»Da hinten ist die verrückteste Nasszelle, die ich je gesehen habe«, sagte sie, als sie zurückkam. »Aber es gibt kein heißes Wasser.«
Sam ging in den Durchgang und spähte hinein. »Gibt es Handtücher?«
»Nein. Nimm das schwammige Zeug.« Nervös wartete sie auf ihn. Als er zurückkam, stand sie neben dem Eingang und betrachtete die seltsame ovale Schlafgelegenheit.
»Du hast das Bett noch nicht ausprobiert?«, fragte er, wobei er sich auf den Rand setzte und sie ansah. »Fühlt sich kuschelig weich an.«
Rosie umschlang ihren Körper mit ihren Armen. Ihr war plötzlich eiskalt. Er schob seine Zunge durch die Zähne und sah sie fragend an. »Was ist denn? Ich werde nicht über dich herfallen.«
»Tatsächlich? Wie schade«, sagte sie, um eine scherzhafte Antwort bemüht, die ihr nicht gelingen wollte. Sie ließ ihre Hände sinken. »Das weiß ich doch, Sam.«
»Aber sicher warst du dir nicht, oder? Meine Güte, Rosie, hältst du mich für derart unsensibel?«
»Hey, das habe ich nie gesagt.«
»Ich will nur noch schlafen«, sagte er. »Nicht dass ich unter normalen Umständen nicht wollte – aber so, wie die Dinge liegen, kann ich gar nicht. Ich bin keine Maschine. Und richtig wäre es auch nicht, das weiß ich. Ich bin kein völliger Neandertaler, weißt du.«
»Nun beruhige dich doch, Sam«, sagte sie und kniete sich vor ihn. »Das habe ich dir nie unterstellt. Ich bin verlegen, das ist alles. Ich war mit dir noch nie in einer solchen Situation.«
Er atmete aus. Sein gequälter Ausdruck verschwand. »Tut mir leid, mein Schatz«, sagte er. »Wie kann ich mir anmaßen, den Entrüsteten zu spielen? Warum solltest du mir auch trauen in Anbetracht meiner Erfolgsgeschichte, bei jeder sich mir bietenden Gelegenheit über dich herzufallen?«
»Aber ich vertraue dir«, sagte sie und es war ihr ernst damit – denn ohne Vertrauen bliebe ihnen gar nichts. »Lass uns nicht streiten. Wir sind beide erschöpft und können nicht mehr klar denken.«
Er lächelte reuevoll und blass im Dämmerlicht. »Nun komm schon. Du schläfst auf diesem weichen Ding hier. Ich lege mich auf den Boden.«
»Okay.«
Sam behielt seine Kleider an und sie ebenfalls, bereit, zu kämpfen oder zu fliehen. Vorsichtig legte sie sich in die Vertiefung. Sie entdeckte einen Quilt in Dunkelviolett mit einem komplizierten Muster aus kleinen Blüten. Als sie auf dem weichen, seidigen Moospolster lag und sich zugedeckt hatte, glaubte sie zu schweben. Nach einer Weile sagte sie: »Es ist unglaublich bequem.«
»Schön.«
Nun versteh doch meinen Wink, verdammt . »Was meinst du, Sam, bedeutet, keinen Sex zu haben, auch, dass wir nicht zusammen schlafen können?«
»Hm.« Er lag ein paar Meter weit entfernt und stützte sich auf seinem Ellbogen auf. »Das hängt ganz davon ab, ob du dich beherrschen kannst, Süße.«
Sie lachte leise und müde. »Ich kann nicht ohne dich schlafen. Bitte halt mich fest.«
Keine Antwort, aber eine Sekunde später spürte sie, wie er sich neben ihr in die Mulde gleiten ließ. Er schlang seine Arme um sie und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. »Ich dachte schon, du würdest überhaupt nicht mehr fragen. Nun schlaf schön. Ich bin da. Und morgen werden wir Luc finden.«
Das war etwas, was sie noch nie zusammen gemacht hatten: voll bekleidet ein Bett zu teilen und einander in den Armen zu halten. Es war seltsam und wunderbar. Rosie drehte sich auf die Seite und fiel, umarmt von Sam, der hinter ihr lag, in einen erschöpften Schlaf.
Sam lag da und hielt Rosie fest, sein Gesicht in ihrem Haar. Ihr Körper schmiegte sich an seinen, als wäre er dafür geschaffen. Einfach so mit ihr dazuliegen, war mehr, als er sich je erträumt hatte. Es war die reinste Wonne. Und fast nicht auszuhalten.
Irgendwann wurde sie wach und er spürte, dass sie von Weinkrämpfen geschüttelt wurde. Er streichelte ihr Haar und drückte sie fester an sich, um ihr mit seinem ganzen Sein zu vermitteln, dass er bei ihr war. Ohne es laut auszusprechen, dachte er: Ich liebe dich , denn er hätte das Schweigen nicht ertragen, wenn sie nicht das Gleiche erwidert hätte. Endlich schlief sie wieder ein.
Ich muss herausfinden, ob das das Ende oder der Anfang ist , hatte sie gesagt.
Sam hatte darauf keine Antwort.
Liebe sollte edel und selbstaufopfernd sein, Eigenschaften, deren er sich nicht rühmen konnte. Sonst wäre sie nicht dort, wo sie jetzt
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